Hamburg. Werte Sportsfreunde aus Katar! Unseren herzlichsten Glückwunsch. Schon jetzt steht fest: Ihr habt wirklich eine historische WM organisiert. Noch nie wurden alle Probleme des Kommerzsports so schonungslos aufgezeigt. Ihr habt es erstmals hingekriegt, dass niemand Spaß hat. Dafür werden die Belastbarkeitsgrenzen von Fans und Politik, von Funktionären und Sponsoren schonungslos getestet. Wie viel Infantino hält ein Sport aus?
WM 2022: Nie wurde Korruption offenkundiger
Nie hielt ein Fifa-Chef eine bizarrere Rede („Heute bin ich Wanderarbeiter“), nie wurde Korruption offenkundiger, nie die Lüge über Nachhaltigkeit deutlicher. Wir haben gelernt, dass selbst teuerstes Marketing nicht jeden Quatsch schönfärben kann, und erschrocken festgestellt, dass neue DFB-Chefs genauso hasenfüßig sind wie die alten.
Ach ja, auch der gelernte Jahresrhythmus hat seinen Sinn. Fußball ist Sommersport, keine Vierschanzentournee. Zugleich dürfen wir während all der nicht geguckten Spiele unsere Moral prüfen: Flüssiggas ja, Fußball nein – da werden wir den Ethikkompass nachjustieren müssen.
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Immerhin: Diese Generation von Nationalspielern entspricht längst nicht mehr dem Klischee des tumben Balltreters. Sie leiden wirklich am Widerspruch zwischen Leistungswillen und Funktionären, denen nichts egaler ist als Fußball.
Über viele Weltmeisterschaften und Olympias haben wir uns das Milliardenspiel Sport schöngeredet. Das funktioniert nicht mehr. Katar markiert den Gipfel des Irrsinns und damit einen Wendepunkt, der als KatarSis in die Chroniken des Weltsports eingehen wird. Archäologen werden eines Tages die Reste der Arenen aus dem Sand buddeln und sich fragen, ob Rohstoffreichtum etwas seltsam macht. Für jedes künftige Turnier gilt: Einfach alles anders machen als damals in Katar – dann wird’s ein gutes Turnier.
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