Hamburg. Skurriler kann es bei einem Parteitag kaum zugehen. Als Hamburgs Linke am Wochenende zusammenkamen, trat ein zuletzt oft vollbärtiger Mann erst für den Posten der Parteisprecherin und dann für die Frauenliste an – nachdem er sich angeblich zur Frau erklärt hatte. Zuvor bedrohte ein aggressiver Rollstuhlfahrer die Delegierten. Und mittendrin leitete die von Dauerstudenten im Rentenalter geführte „Liste Links“ jede ihrer verquasten pseudomarxistischen Reden zwanghaft mit Sinnsprüchen toter Dichter ein.
Wer all das liest (oder gesehen hat), mag diese Partei nicht mehr ernst nehmen. Das aber wäre ein Fehler. Denn der Parteitag war beides: ein Sinnbild dessen, was in der Partei seit Langem falsch läuft. Aber auch ein klares Signal, dass die Mehrheit sich von den Destruktiven abwendet und dass konkrete Politik für die Bedürftigen bei den Linken künftig wichtiger sein soll als unendliche ideologische Debatten und groteskes und aggressives Polittheater.
Eine klare Mehrheit der Delegierten hat mit Bauingenieur Thomas Iwan und Soziologin Sabine Ritter ein pragmatisches und erfahrenes neues Duo an die Spitze gewählt. Auch die meisten anderen Vorstände stehen jetzt für einen Kurs, dem anständige Löhne, bezahlbare Mieten und die gerechte Verteilung von Wohlstand wichtiger sind als endlose Debatten über den richtigen Weg zur Revolution. Die Linken-Bürgerschaftsfraktion hat seit vielen Jahren gezeigt, dass sie sich auf konstruktive Oppositionsarbeit versteht. Damit tut sie dem Parlament und auch Rot-Grün gut. Sollte die ganze Partei auf diesen pragmatischen Kurs einschwenken, wäre sie noch nicht verloren, sondern hätte in Hamburg gute Chancen, eine ernst zu nehmende politische Kraft zu bleiben.
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