Hamburg. Sagen oder besser schreiben wir eigentlich „Hallo“ oder „hallo“? Groß oder klein? Beides ist möglich. Hier haben wir es wieder einmal mit einer der unsäglichen fakultativen Schreibweisen zu tun, was bedeutet: Sie ist der freien Wahl überlassen – oder ein wenig flapsiger ausgedrückt: Schreiben Sie es doch, wie Sie wollen! Einen Fehler darf man Ihnen dafür so oder so nicht anstreichen.
Das Gegenteil von „fakultativ“ (wahlfrei) ist „obligatorisch“ (verbindlich). Ein Ziel der Rechtschreibreform von 1996 sollte es sein, zu obligatorischen Schreibweisen zu gelangen, und zwar mit der Absicht, Substantivierungen nach Möglichkeit groß- (gestern [am] Abend), eigenständige Verben und Partizipien getrennt zu schreiben (sitzen bleiben, bekannt machen) sowie Wortfamilien und Analogien (Ähnlichkeiten) anzugleichen (nummerieren und platzieren statt vorher „numerieren“ und „plazieren“).
Neue Rechtschreibung für verbindlich erklärt
Bis zum Juni 2004 konnte man in Schulen und Medien gut damit leben, sodass die Kultusminister nach fünfjähriger Probephase die neue Rechtschreibung für verbindlich erklärten. Die Ministerpräsidenten ließen sich jedoch von einigen lautstarken Stimmen einschüchtern und setzten einen Rat für deutsche Rechtschreibung ein, um die Reform überprüfen zu lassen. Man darf unterstellen, dass das nicht aus Sorge um das Kulturgut der deutschen Sprache geschah, sondern ganz einfach aus Sorge um die Wählerstimmen und aus Angst vor der „Bild“-Zeitung.
Was dieser Rat der Kultusministerkonferenz am Rosenmontag des Jahres 2006 als Ergebnis seiner Arbeit vorlegte, glich den vielen Narrenzügen jenes Tages, doch die Konferenzteilnehmer wollten den Streit endlich beenden und segneten alles ab. Die Reformschreibweise wurde nicht etwa abgeschafft, sondern blieb bestehen. Die Möglichkeiten haben seitdem Konjunktur und die Wörterbücher sogar Hochkonjunktur.
Einheitlichkeit könnte leiden
Wenn beide Schreibweisen richtig sind, können die Deutschfehler nicht zugenommen haben, aber die Einheitlichkeit leidet. Das mag in privaten Briefen nicht schlimm sein, aber Firmen und Redaktionen sollten sich jeweils dauerhaft für eine Form entscheiden. Am besten, wir halten uns an den Duden, der seine Empfehlungen gelb markiert.
Um auf das Hallo zurückzukommen: Der Duden empfiehlt bei Gruß- und Anredeformeln mit „sagen“ die Großschreibung: Opa wollte nur einmal kurz „Hallo sagen“. Bei ähnlichen Wendungen sollte man das erste Wort großschreiben (muss es aber nicht unbedingt): Die Kinder haben artig „Guten Tag“ gesagt. Die Jugend sagt ihrer Zukunft „Auf Wiedersehen“. Hinter Buxtehude sagen sich Hase und Igel „Gute Nacht“. Die Frage lautet: „Was“ sagen sie? Lässt sich eine Frage mit „was?“ beantworten, deutet das auf Großschreibung hin, mit „wie?“ hingegen auf Kleinschreibung: Wir machen Pleite (was?), aber: Wir gehen pleite (wie?).
In Hamburg sagt man Tschüs
In Hamburg und mittlerweile in ganz Deutschland sagt man Tschüs, und zwar mit großem „T“ und hinten mit einem einzigen kleinen „s“, obwohl beim Streit über die richtige Schreibweise schon Urheberrechtsprozesse angedroht worden sind. Angeblich hat Heidi Kabel „In Hamburg sagt man Tschüss“ mit Doppel-s gesungen, wobei ich mich frage, wie man ein Doppel-s singen kann. Als der Duden noch die alleinige Entscheidungsgewalt über die Schreibweisen hatte, war nur „tschüs!“ möglich. Die Reformer ließen auch „Tschüss“ zu, was nicht nachvollziehbar ist, denn das „ü“ wird ja nicht kurz, sondern ganz lang gesprochen. Ein kurzer Vokal klänge wie „Schiss“, womit wir in der Fäkalsprache gelandet wären.
Dieser ursprünglich norddeutsche Abschiedsgruß ist aus der Form „atschüs!“ gekürzt worden, die durch Erweichung des „j“ aus niederdeutsch adjüs (kurz: tjüüs) entstanden ist, logischerweise hinten mit einem einfachen „s“. Fremde Seeleute gebrauchten häufig das spanische „adiós“ (lat. ad deum – Gott befohlen, frz. adieu, span. a diós – zu Gott).
Tschüss-Wellen laufen durch die Republik
Seit zwei Jahren laufen wie Corona-Wellen auch Tschüs- oder kontaminierte Tschüss-Wellen durch die Republik. Weil man es nicht genau weiß, schreibt der eine vom anderen ab. Wir wissen es: Lassen Sie uns beim richtigen „Tschüs!“ bleiben!
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