Hamburg. Vielleicht sollte man auf dem Holsten-Areal, dem früheren Brauereigelände in Altona, auf den 86.500 Quadratmetern ein kleines Museum einplanen, das Wege und Irrwege der Stadtentwicklung im 21. Jahrhundert zeigt. Zu erzählen gäbe es genug: Wie der Senat, um Holsten am Standort Hamburg zu halten, 2016 auf sein Vorkaufsrecht verzichtete und damit ein großes Monopoly in Gang setzte. Von halbseidenen Investoren, die seriöse Anbieter mit Fantastilliarden aus dem Rennen warfen und das Filetgrundstück im Herzen Altonas später nur weiterreichten. Die ersten Käufer versprachen für 2020 fertige Wohnungen. Inzwischen muss man zufrieden sein, wenn noch in diesem Jahrzehnt überhaupt ein Hamburger ins Holsten-Quartier ziehen kann.
Immerhin kommt nun Bewegung in das Projekt. Das gemeinsame Angebot der stadteigenen Saga und des privaten Immobilienentwicklers Quantum macht Hoffnung. Allen Beteuerungen zum Trotz steht nicht zu erwarten, dass der jetzige Eigner Consus noch einen Stein bewegen wird: Das Unternehmen, das zu rund 94 Prozent der Adler Group gehört, ächzt unter Schulden – die Aktie hat sich binnen zwei Jahren fast gefünfzigstelt. Die Mutter Adler steht kaum besser da – deren Papier hat sich in drei Monaten gedrittelt. Der Wirtschaftsprüfer hat hingeworfen, immer neue Vorwürfe tauchen auf. Der gesamte Konzern ist inzwischen so schlecht beleumundet, dass sogar die EZB ihre Adler-Anleihen auf den Markt geworfen hat. Recherchen der „Zeit“ und der ARD zeigen nun, dass Consus Handwerkerrechnungen im großen Stil nicht bezahlt. Aufstieg und Fall dieses Konzerns hätten einen Platz im Museum verdient.
Endlich Bewegung beim Holsten-Quartier in Altona
Dummerweise aber sitzen Consus beziehungsweise Adler auf dem Grundstück in Altona – und werden versuchen, im Falle eines Verkaufs das Maximum zu erlösen. Alles andere kann sich der verschuldete Konzern nicht leisten. Durch die steigenden Baukosten, die rasant steigenden Zinsen, die bilanzielle Situation und den fortschreitenden Reputationsverlust wächst der Druck, bald zu einer Einigung zu kommen. Das alte Konzept, ein Grundstück liegen zu lassen und auf Wertzuwachs zu spekulieren, funktioniert nicht mehr. So stieg der Wert des einst auf rund 65 Millionen Euro taxierten Grundstück beim Verkauf durch Holsten auf rund 150 Millionen Euro und in den Bilanzen zwischenzeitlich auf 364 Millionen Euro. Nun aber sinkt der Preis. Monopoly ist vorbei.
Die Krise birgt eine Chance. Doch muss sich das Engagement für jeden zukünftigen Investor lohnen. Keiner wird bereit sein, Fantasiepreise zu bezahlen. Mit jeder Million, die das Grundstück teurer wird, wächst der Druck, mehr Baumasse unterzubringen – oder mehr lukrative Eigentumswohnungen zu errichten. Auf der anderen Seite droht ein neuer Eigner vom großen Wunschkonzert aus Politik, Medien und Initiativen überfordert zu werden. Die ewigen Verzögerungen haben die Erwartungen an die Entwicklung des Holsten-Quartiers fast ins Unermessliche gesteigert: Es soll ein ökologischer Vorzeigestadtteil entstehen, ein Maximum an Wohnungen, unter Einbeziehung diverser Initiativen und Stadtteilprojekte.
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Für das Gelingen des neuen Stadtteils ist unabdingbar, dass sich das Quartier sozial verträglich entwickelt. Es muss sich aber auch rechnen. Ein weiteres Paloma-Viertel, wo sich auf St. Pauli die Wünsche so potenziert haben, dass seit Jahren der Bau ausbleibt, braucht Hamburg nicht. Denn das hatte das Holsten-Quartier in der Vergangenheit schon – wenn auch unter ganz anderen Vorzeichen.
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