Hamburg. Wann findet diese Regierung aus dem Wolkenkuckucksheim? Und wann wächst der Wille zur Wahrheit? Zwischen der Aufregung um die Sommerhitze, neuen sorgenschweren Corona-Warnungen und der Fehlbesetzung der neuen Antidiskriminierungsbeauftragten mit der radikalen Aktivistin Ferda Ataman ging die wichtigste Nachricht der Woche fast unter: Der Ukraine-Krieg könnte die Bundesrepublik nun in ihren Grundfesten erschüttern. Der russische Kriegstreiber Wladimir Putin dreht am Gashahn.
Am Mittwoch hatte der russische Staatskonzern Gazprom das Tagesvolumen über Nord Stream 1 von 167 Millionen Kubikmeter Gas auf 100 Millionen Kubikmeter Gas pro Tag, am Donnerstag weiter auf nur noch 67 Millionen Kubikmeter gesenkt. Plötzlich fehlen fast 60 Prozent der erwarteten Tagesmenge. Am Freitag wurde Frankreich von den Gaslieferungen abgeschnitten.
Robert Habeck macht klare Ansage
Das ist endgültig eine neue Dimension: Selbst in den hitzigsten Tagen des Kalten Krieges hatte die Sowjetunion verlässlich geliefert. Wer hätte gedacht, dass wir uns noch einmal an die Zeit eines Leonid Iljitsch Breschnew zurücksehnen werden – übrigens ein Ukrainer an der Spitze der KPdSU. Die Dimension dieses Gasstopps aber ist offenbar nur bei einem Spitzenpolitiker der Ampel angekommen – bei Wirtschaftsminister Robert Habeck.
In den Tagesthemen machte er klar, dass wir nicht durch die kalte Jahreszeit kommen, wenn die Gasspeicher halb leer bleiben: „Wir können nicht mit 56 Prozent Speicher in den Winter gehen. Sonst sind wir wirklich offen“, sagte der Minister in schonungsloser Offenheit. Und fügte hinzu: Deutschland dürfe sich „keine Illusionen machen, dass wir uns in einer Machtprobe mit Putin befinden“. Zur Not werde er den Bürgern das Energiesparen auch gesetzlich verordnen. Eine klare Ansage in schweren Zeiten, die aber bei vielen am Kabinettstisch noch nicht angekommen ist.
Senken der Mindesttemperatur im Gespräch
„Gesetzlich verordnetes Frieren halte ich für unsinnig“, konterte Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD). Sie will weiterhin Vermieter anhalten, ihre Heizungsanlagen auf mindestens 20 bis 22 Grad aufzudrehen, nachts soll die Temperatur bei 18 Grad liegen. Der Vorstoß des früheren Hamburger Wirtschaftssenators Axel Gedaschko war keine Aufforderung zum Frieren, sondern eine überfällige Ansage: Der Präsident des Bundesverbandes deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen hatte gefordert, im Falle eines Gasmangels die erforderliche „Mindesttemperatur auf eine maximale Untergrenze von 18 Grad tagsüber und 16 Grad nachts“ abzusenken.
Ein Grad weniger bringt sechs Prozent Energieersparnis – nicht nur eine nachhaltige Klima- und Energiesparidee, sondern auch eine finanzielle Entlastung für viele Mieter, die immer mehr unter den explodierenden Energiepreisen leiden. Zusätzlich wäre es ein Symbol an die Bürger, dass härtere Zeiten bevorstehen.
Bisher denkt niemand an den Winter
Aber offenbar mag das – abgesehen von Habeck – niemand den Menschen zumuten. An den Winter denkt keiner, man genießt die Behaglichkeit des Sommers und spendiert den Menschen einen unsinnigen „Tankrabatt“. Die FDP ist nicht einmal angesichts der Eskalation in der Lage, über ihren Schatten zu springen und endlich ein temporäres Tempolimit auf den Weg zu bringen.
Der Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) hält die Bürger mit dem ganz großen Füllhorn bei Laune – sein großzügiges Bürgergeld statt Hartz-IV und sein Klimageld kosten locker eine zweistellige Milliardensumme, die Rentenerhöhung um 5,4 bis 6,1 Prozent zeigt zudem eins: Die Krise will niemand so recht wahrhaben. Auch Kanzler Olaf Scholz scheut sich, den Menschen reinen Wein einzuschenken. Er hat zu Recht von der Zeitenwende gesprochen – danach kam zu wenig.
Robert Habeck nimmt Versorgungssicherheit in den Blick
Ganz anders Robert Habeck. Er räumt im Angesicht der Krise liebgewonnene Positionen, die nicht mehr zu halten sind: Für den Bau der LNG-Terminals hat er die Umweltschutzprüfung radikal verkürzt – statt zehn Jahre soll der Bau nun zehn Monate dauern. Die Klage der Umwelthilfe dagegen nennt er „falsch“. Er ist nicht mehr zuerst Grünen-Politiker, sondern nimmt als Staatsmann die Versorgungssicherheit des Landes in den Blick. Sollte das Gas ausbleiben, will Habeck konventionelle Kohlekraftwerke hochfahren. Der Mann spricht Klartext, wagt weite Wege, er hat die Zeichen der Zeit erkannt. Das macht einen Spitzenpolitiker aus.
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