Meinung
Deutschstunde

Es ist nie verkehrt, das Alphabet zu kennen

| Lesedauer: 4 Minuten
Peter Schmachthagen
Der Autor schreibt hier an jedem Dienstag über die Tücken der deutschen Sprache.

Der Autor schreibt hier an jedem Dienstag über die Tücken der deutschen Sprache.

Foto: HA

Selbst im digitalen Zeitalter sollte man die Reihenfolge der Buchstaben beherrschen. Es gibt nämlich noch gedruckte Wörterbücher!

Ich gehöre hoffentlich nicht zu den alten Leuten, die durch den Tag nörgeln und behaupten, dass früher alles besser gewesen sei. Im Winter habe immer Schnee gelegen und im Sommer pausenlos die Sonne geschienen, und die Kinder hätten viel mehr als heute leisten müssen, wenn sie etwas werden wollten. Im Gegenteil, ich finde es gut, welche Hilfsmittel dem Nachwuchs jetzt zur Verfügung stehen. Damals gab es keine „Sendung mit der Maus“, in der den Kleinen spielerisch die Umwelt erklärt wurde, und keine Tablets und kein Internet, sodass die Schüler auch zu Hause unterrichtet werden können – als allerletzter Notbehelf während der Pandemie zwar, aber immerhin.

Das Einzige, was ich damals als Vierjähriger benutzen konnte, war eine Fibel, die meine Mutter mir aus unserer Buchhandlung mitgebracht hatte. Es handelte sich um eine Fibel aus dem Kaiserreich, also ganz ohne Hakenkreuze, dafür aber mit vielen Engelchen und Blumen­ranken. Meine Frau behauptete später, diesen „Gartenlauben“-Stil hätte ich nie abgelegt. Um im Luftschutzkeller abgelenkt zu werden, malte ich mit dem Griffel auf der Schiefertafel die Buchstaben aus der Fibel nach, und kurz vor Kriegsende hatte ich es sogar zu den einfachen Wörtern „ATA“ und „IMI“ gebracht, wie die Putzmittel damals hießen.

Buchstaben sind die Zeichen einer Schrift, die einen Laut oder eine Lautverbindung wiedergeben. Es ist angeraten, die unterschiedlichen Buchstaben untereinander nach einer bestimmten Reihenfolge zu ordnen. Ohne eine solche Ordnung müssten wir im lexikalischen Chaos versinken. Man stelle sich vor, alle Stichwörter auf den 1294 Seiten des Dudens würden vom Zufallsgenerator verteilt – wir würden das Gesuchte nie finden. Zwar braucht die digitale Generation heute bei Google oder Wikipedia nur noch den Suchbegriff einzugeben, aber es ist nie verkehrt, bei der Klassenarbeit unter der Bank die Reihenfolge in der Klatsche zu kennen, sonst würde selbst der nachsichtigste Lehrer das wirre Herumblättern nicht mehr übersehen wollen. Eine solche festgelegte Reihenfolge aller Schriftzeichen einer Sprache nennt man das Alphabet – wohlgemerkt, „das“ Alphabet; „der“ Alphabet ist etwas anderes, nämlich eine des Lesens und Schreibens kundige Person, die sich somit vom Analphabeten unterscheidet.

Der Name kommt von den ersten beiden Buchstaben Alpha und Beta des griechischen Alphabets, obwohl wir uns im Deutschen gar nicht nach den alten Griechen richten, deren letzter Buchstabe bekanntlich das Omega war (deshalb das „A und O“ für die Gesamtheit einer Sache). Wir richten uns nach den Lateinern, die das Z als letzten Buchstaben führten (deshalb „Von A bis Z“ für das alles Umfassende). Nach den ersten drei Buchstaben des Alphabets sprechen wir auch vom „Abc“. Ich weise mit allem Nachdruck darauf hin, dass dabei lediglich das „A“ großgeschrieben wird, das „b“ und das „c“ aber klein bleiben. Das gilt auch für den „Abc-Schützen“, den Erstklässler. Ein „ABC-Schützenpanzer“ ist etwas ganz anderes, der bezieht sich auf atomare, biologische und chemische Waffen.

Wir Deutschen haben 26 Buchstaben aus dem Lateinischen übernommen. Dazu kommen bei uns die drei Umlaute und die Ligatur (Buchstabenverschmelzung) Eszett (ß). Jeder Buchstabe hat eine große Form (Großbuchstabe, Versal) und eine kleine Form (Kleinbuchstabe, Minuskel), nur das Eszett, das ohnehin nie am Wortanfang steht, muss immer klein bleiben. Ein großes Eszett gibt es aller dummen Schlagzeilen zum Trotz im deutschen Alphabet nicht. Wird ein entsprechendes Wort in Versalien geschrieben, wird ß in SS aufgelöst (Straße – STRASSE).

Bei der alphabetischen Anordnung der Stichwörter in Wörterbüchern, Lexika und Registern ist zu beachten: Kleinschreibung steht vor Großschreibung (mal – Mal), falls sich die Wörter nur durch einen großen oder kleinen Anfangsbuchstaben unterscheiden. Bei Abkürzungen wird das Leerzeichen ignoriert, Umlautpunkte werden nicht beachtet, nur in Konkurrenzfällen steht der einfache Buchstabe vorn (Bar – Bär). Das Eszett wird wie ss behandelt, aber bei ansonsten gleicher Schreibweise tritt das Eszett nach hinten (Masse – Maße).

deutschstunde@t-online.de

Mehr Artikel aus dieser Rubrik gibt's hier: Meinung