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Politiker müssen aus Niederlagen lernen

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Lars Haider ist Chefredakteur des Hamburger Abendblatts.

Lars Haider ist Chefredakteur des Hamburger Abendblatts.

Foto: Andreas Laible

Fehler zu machen, ist nicht schlimm – mehr noch: Man kann gestärkt daraus hervorgehen. Scholz und Merz haben von Rückschlägen profitiert.

Hamburg. Eines der größten Missverständnisse in der deutschen Politik ist, dass man nach Niederlagen und Fehlern Konsequenzen ziehen und am besten zurücktreten muss. Ja, es stimmt, dass man sich damit kurzfristig Respekt in den Medien und bei den Bürgerinnen und Bürgern erwerben kann. Langfristig bedeuten Rücktritte nach Rückschlägen aber nur eins: dass die eigene politische Karriere zu Ende ist, obwohl sie das in vielen Fällen gar nicht sein müsste. Denn es gibt genügend Beispiele von Spitzenpolitikern, die genau dort gelandet sind, wo sie jetzt sind, weil sie nach Niederlagen nicht aufgegeben haben.

Nehmen wir, sehr aktuell, Friedrich Merz, der zweimal bei parteiinternen Wahlen gescheitert war. Die, gegen die er verloren hat, sind inzwischen entweder komplett aus der Politik ausgeschieden (Annegret Kramp-Karrenbauer) oder nur noch einfache Bundestags­abgeordnete (Armin Laschet). Merz ist dagegen da, wo er immer hinwollte. An der Spitze der CDU, im Zentrum der politischen Macht. Und er hat allen, mit denen er jetzt zu tun hat, eine wichtige Erfahrung voraus. Er weiß, wie sich Rückschläge, heftige Rückschläge anfühlen, und vor allem weiß er, dass und wie man da wieder herauskommt.

Olaf Scholz: Trotz G20 und Cum-Ex blieb er

Das wiederum hat er mit seinem wichtigsten Gegenspieler gemeinsam, einem Mann, der böse Kommentare, schlechte Ergebnisse bei Parteitagen und kleine wie größere Skandale so lange und stoisch ertragen hat, bis er Bundeskanzler geworden ist. Olaf Scholz hat, wir erinnern uns, bei der Abstimmung seiner SPD um den Parteivorsitz verloren, eine Schmach, nach der sich die meisten aus der Politik zurückgezogen hätten.

Er hat nach dem missglückten G-20-Gipfel 2017 in Hamburg weitergemacht, obwohl mehrfach gefordert worden war, dass er dafür die Konsequenzen zu tragen habe. Bei den Affären um Wirecard und Cum-Ex war es ähnlich. Scholz stellte sich den Vorwürfen und Niederlagen, aber er blieb. Das kann man verantwortungslos finden.

Man kann aber im Gegenteil auch sagen, dass es ein Zeichen von Verantwortungsbereitschaft ist, wenn ein Politiker nach Fehlern oder persönlichen Enttäuschungen nicht aufgibt, sondern versucht, es besser zu machen. Mindestens von jemandem, der Bundeskanzler werden will, muss man erwarten können, dass er in jeder Lage Stärke zeigt und den Willen hat, niemals aufzugeben.

Mehr noch: Wer das mächtigste Amt im Staate haben, wer in Gesprächen und Verhandlungen mit anderen Regierungschefs wie Russlands Wladimir Putin bestehen will, muss hart im Nehmen sein und weitermachen, auch, wenn er mal am Boden liegt. Das wusste auch Angela Merkel, die deshalb auch so enttäuscht war, als ihre Nachfolgerin als CDU-Vorsitzende bei einer der ersten Gelegenheiten hinschmiss – und damit bewies, dass sie als Kanzlerkandidatin nicht geeignet gewesen wäre.

Es ist nicht schlimm, in der Politik Fehler zu begehen

Weder Merz noch Scholz wären heute da, wo sie sind, wenn sie nicht all die negativen Erfahrungen gemacht hätten, die sie gemacht haben. Es ist nicht schlimm, in der Politik Fehler zu begehen, es wäre ja auch noch schöner, wenn wir das als Wählerinnen und Wähler allen Ernstes verlangen würden.

Was wir verlangen können, ist, dass Politiker lernen, mit Fehlern und insbesondere mit Niederlagen zu leben und gestärkt daraus hervorzugehen. Einer, der jetzt genau vor dieser Aufgabe steht, ist der ehemalige Gesundheitsminister Jens Spahn.

Wer glaubt, dass der nach den politischen Rückschlägen der jüngsten Vergangenheit sein Ziel, eines Tages Bundeskanzler zu werden, aufgegeben hat – der irrt. Er will zurückkommen. Und weiß, siehe oben, dass das geht.

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