Hamburg. Wenn die Menschheit noch ein paar Jahrhunderte einigermaßen angenehm weiterleben möchte auf diesem schönen Blauen Planeten, dann muss mit zwei Missverständnissen ein für alle Mal aufgeräumt werden – und zwar noch heute. Das erste Missverständnis: Ob der Klimawandel menschengemacht ist, weiß man gar nicht so genau – und falls es so ist, wird man die Folgen doch erst in vielen Jahrzehnten merken. Wird schon nicht so schlimm. Zweites Missverständnis: Den Klimawandel zu stoppen wird einfach – und keinem wird es wehtun.
Der neue Bericht des Weltklimarates IPCC hat es klargemacht wie nie zuvor: Der Mensch macht seinen eigenen Lebensraum kaputt. Seine Form, zu wirtschaften, zu heizen, sich fortzubewegen, verändert diesen Planeten so sehr, dass er bald zumindest in weiten Teilen für Menschen nicht mehr gut bewohnbar sein könnte. Und die Geschwindigkeit, in der die Erde sich aufheizt, ist noch höher als befürchtet, so die Experten. Mehr Dürren und Starkregen, Stürme, Brände und Überflutungen sind die Folgen.
Immer neue Temperaturrekorde
Was das bedeutet, sehen wir seit Monaten in den Nachrichten: immer neue Temperaturrekorde mit bis zu fast 50 Grad, zerstörerische Brände am Mittelmeer und tödliche Überflutungen – nicht nur in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz. Wenn es ganz schlecht läuft, könnte laut IPCC irgendwann der atlantische Golfstrom abreißen – mit schwerwiegenden Folgen für Europa. Mithin: Die Hütte brennt. Seit Jahrzehnten. Und wir sitzen drin. Und diskutieren, ob es denn wirklich brennt und was das bedeuten könnte und ob man den Menschen überhaupt zumuten kann, etwas gegen das Feuer zu unternehmen.
Weltweit haben Regierungen die Gefahren des Klimawandels jahrzehntelang heruntergeredet. Währenddessen sind die Menschen mehr durch die Welt geflogen, haben mehr Verbrennerautos angemeldet und mehr Energie verbraucht.
Wir müssen Gewohnheiten ändern
Womit wir beim zweiten Missverständnis wären: Politiker haben ihren Wählern jahrelang erzählt, das Stoppen des Klimawandels sei quasi schmerzfrei über die Bühne zu bringen – ohne Verbote oder Gebote und ohne Kosten für jeden Einzelnen. Sie haben sich gescheut, den Menschen die Wahrheit zu sagen.
Und die lautet: Es wird die meisten von uns auch persönlich etwas kosten, den Planeten für die Menschheit zu retten. Energie wird teurer, wir müssen uns anders fortbewegen, anders produzieren und konsumieren und lieb gewonnene Gewohnheiten ändern. Weil es nicht reicht, wenn jeder Einzelne ein bisschen hier und da für sein Gewissen an seinem Lebensstil ändert, braucht es dafür klare politische Konzepte und Vorgaben.
Die vielleicht größte Herausforderung in der Geschichte des Homo sapiens
Und was tun wir? Statt wenigstens im Bundestagswahlkampf zu diskutieren, wie wir am klügsten die vielleicht größte Herausforderung in der Geschichte des Homo sapiens angehen sollen, reden wir über Zitate in Politikerbüchern oder ein Lachen am falschen Ort. Es wirkt so, als habe die Menschheit den Schuss noch immer nicht gehört.
Dazu passt, was gestern in der Hamburger Senatskommission für Klimaschutz passiert ist. Statt sich auf Eckpunkte zur Verschärfung des Klimaschutzgesetzes zu einigen, lehnte die SPD die Grünen-Vorschläge für ehrgeizigere Ziele ab. Man überzog sich gegenseitig mit Vorwürfen – und vertagte sich.
Dabei hätten auch SPD-Bürgermeister Tschentscher und sein Senat einiges zu erledigen. Seit Jahren kommt die für den Klimaschutz wichtige Sanierung der Gebäude in Hamburg kaum voran, die Zahl der (Verbrenner-)Pkw steigt immer weiter – und der Rückgang des Hamburger CO2-Ausstoßes lag zuletzt weit unter den Erwartungen. Allein mit Sonntagsreden und Wahlkampfinterviews lässt sich die Welt eben nicht retten.
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