Hamburg. Sprache ist, was gesprochen wird, nicht unbedingt das, was gesprochen werden soll. Der Unterschied von Schein und Anschein.

Es stand vor einiger Zeit auf der Seite 1 des Abendblatts, und zwar in der Ru­brik, in der nicht nur bekannte und weniger bekannte Mitbürger und Mitbürgerinnen, sondern auch Menschen „aus aller Herren Länder“ menschlich gesehen werden. Das stieß auf Protest – nicht wegen der Menschen, aber wegen der Grammatik. Ein Leser belehrte mich, dass die Präposition „aus“ mit Dativ stehen und es deshalb „aus aller Herren Ländern“ heißen müsse. Was ist richtig?

Beides ist möglich. Bis 1934 befahl der Duden die Flexionsendung „-ern“, danach knickte er ein. Heute empfiehlt er die endungslosen „Länder“, ohne die „veraltende“ Dativ-Form damit für ungültig zu erklären. Ein solcher Sinneswandel wird von der Duden-Redaktion in Berlin natürlich nicht aus Übermut während der Kaffeepause beschlossen, sondern beruht auf der genauen Beobachtung der Umgangssprache. Sprache ist, was gesprochen wird, nicht unbedingt das, was gesprochen werden soll.