Hamburg. Wenn wir Verben nicht einheitlich schreiben dürfen, sondern „fühlen“ müssen, kommt die übertragene Bedeutung ins Spiel

Wenn zu meiner Zeit ein Lehrer zum Unterrichtsbeginn in die Klasse trat, durften wir nicht „sitzen bleiben“, sondern standen selbst als Oberprimaner auf, um ihn stehend zu begrüßen. Das gebot der Respekt und der Anstand. Als ich nun in der Redaktion bei Müttern und Vätern herumfragte, ob das auch heute in der Schule noch der Fall sei, erntete ich ungläubige Heiterkeit. Damals sollten wir mit zwei Fünfen in den Hauptfächern „sitzenbleiben“, da halfen kein Elternaufstand, keine Schulpsychologin, keine Tabletten und nicht einmal eine Klage vor dem Verwaltungsgericht.

Allerdings mussten wir in der Rechtschreibung unterscheiden, ob wir „sitzen blieben“, also den Hintern nicht hochbekamen, oder „sitzenblieben“, was bedeutete, am Ende des Schuljahres nicht versetzt zu werden. Blieben wir auf dem Stuhl hocken, so hatten wir es mit der wörtlichen Bedeutung des Verbs zu tun, mussten wir die Klasse jedoch wiederholen, so bekam das Sitzenbleiben eine übertragene Bedeutung.