Meinung
Leitartikel

Vom Norden den Kampf gegen Corona lernen

| Lesedauer: 4 Minuten
Lars Haider,
Chefredakteur
des Hamburger
Abendblatts.

Lars Haider, Chefredakteur des Hamburger Abendblatts.

Foto: Andreas Laible

Wie Schleswig-Holstein die Pandemie besser bekämpft als viele andere Länder – und welchen Fehler die Regierung in Kiel vermeidet.

Hamburg. Wenn es um die richtigen Maßnahmen gegen die Pandemie geht, ziehen im Moment die Politiker die meiste Aufmerksamkeit auf sich, die viel darüber sprechen, was man tun müsste.

Das ist schade, denn mehr lernen darüber, wie man Corona erfolgreich bekämpft, kann man von denen, die handeln, statt zu reden – und die tatsächlich Erfolge vorzuweisen haben.

Einer, auf den das zutrifft, der aber nicht ständig in Talkshows zu sehen ist (wahrscheinlich, weil die Pandemie ihm dazu schlicht keine Zeit lässt), sitzt in Kiel: Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) zeigt seinen Unions-Kollegen Armin Laschet aus Nordrhein-Westfalen und Markus Söder aus Bayern gerade, wie man es macht. Und kann sich deshalb zu Recht Sätze wie „Im Norden wird gehandelt, im Süden werden Briefe geschrieben“ erlauben.

Sieben-Tage-Inzidenz ist im Norden nicht halb so hoch wie der deutschlandweite Durchschnitt

Denn Schleswig-Holstein ist das Vorzeigebundesland, wenn es um die Eindämmung der Pandemie geht: Die Sieben-Tage-Inzidenz ist im Norden nicht einmal halb so hoch wie der deutschlandweite Durchschnitt; nur ein einziger Landkreis, nämlich Segeberg, weist mehr als 100 Fälle je 100.000 Einwohner auf. Dithmarschen (33,0), Schleswig-Flensburg (21,4), Plön (21,0) und Nordfriesland (15,1) unterschreiten dagegen sogar die Marke von 35.

Und selbst der zwischenzeitliche Hotspot Flensburg hat die Situation wieder unter Kontrolle – aktuell wird eine Inzidenz von 87,6 gemeldet. Wie machen die in Schleswig-Holstein das? Warum gehört das Land seit Beginn der Corona-Krise immer zu den Besten mit den niedrigsten Werten? Und was kann Deutschland daraus lernen?

Klare Ansagen

Das müssten die Leitfragen für die künftige Ausprägung der Corona-Politik sein, zumal die Antwort so verblüffend einfach ist. Schleswig-Holstein, Daniel Günther und sein Gesundheitsminister Heiner Garg von der FDP, setzen schlicht das um, was beschlossen wurde und was sie gegenüber der Bevölkerung kommuniziert haben.

Verrückt, oder? Sie halten sich an einmal entwickelte Strategien und mögliche Notbremsen: Werden bestimmte Werte überschritten, treten Einschränkungen in Kraft – werden sie unterschritten, gibt es die vereinbarten Lockerungen. Das funktioniert, weil die Ansagen klar sind, nicht ständig hinterfragt werden und die Menschen wissen, woran sie sind.

Regierung vermittelt den Eindruck, zu wissen, was sie tut

Das ist das Geheimnis hinter dem Erfolg der Schleswig-Holsteiner, die auch deshalb als Vorbild für ganz Deutschland taugen, weil sie als eines der ersten Bundesländer massiv mit der britischen Mutante B 1.1.7 zu kämpfen hatten – nämlich in Flensburg –, die schwierige Lage aber mit ihrer Konsequenz schnell wieder in den Griff bekamen. Natürlich wurden und werden dabei auch Fehler gemacht.

Wie sollte es in einer solchen Ausnahmesituation wie der, die wir gerade alle erleben, anders sein? Aber einen entscheidenden Fehler macht die Regierung in Kiel eben nicht: Sie gibt die (Deutungs-)Hoheit über die Pandemiebekämpfung nicht aus der Hand und vermittelt zu keiner Zeit den Eindruck, nicht zu wissen, was sie tut. Das nennt man Führung, und die ist im Moment wichtiger denn je.

Schlüssige Strategie

Das heißt nicht, dass man falsche Entscheidungen nicht zurücknimmt oder korrigiert, im Gegenteil: Auch das ist ja ein Zeichen von Führungsstärke und Souveränität. Aber ansonsten macht man das, was man sagt, und sagt, was man macht, und achtet dabei darauf, dass die eigene Strategie schlüssig bleibt.

Soll heißen: Wer vor einer schweren dritten Corona-Welle warnt, sich aber Zeit lässt, etwas dagegen zu tun, muss sich nicht wundern, dass er irgendwann von den Bürgerinnen und Bürgern nicht mehr ernst genommen wird.

Aber das ist eine Geschichte aus einem anderen (Bundes-)Land …

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