Wer als Patient das Krankenhaus verlassen darf und dem Pflegepersonal seiner Station einen Kasten Pralinen mit dem Dank „Ihr ward alle großartig!“ auf der beiliegenden Karte hinterlässt, verhält sich zwar liebenswürdig, stolpert aber über die Grammatik. Es handelt sich hier nicht um einen einfachen Schreibfehler, sondern um den Bezug auf ein falsches Verb. Ihr „ward“ nicht großartig, sondern ihr „wart“ großartig. Das kleine „d“ muss in diesem Fall gegen ein kleines „t“ getauscht werden; „wart“ ist eine Flexionsform des Verbs „sein“, und zwar die 2. Person Plural im Indikativ Präteritum: Du warst nett, er war nett, wir waren nett – und ihr „wart“ nett.
Also wird „ward“ im Deutschen stets als „wart“ mit „t“ geschrieben? Mitnichten! Auch die Form „ward“ existiert, nur stammt sie nicht von „sein“, sondern von „werden“: Gott sprach, es werde Licht, und es „ward“ Licht. Reichlich altertümlich und mit einem Hauch von Luther steht das „ward“ dann für das heute gebräuchlichere „wurde“, aber nur in der 1. und 3. Person Singular Indikativ Präteritum. Das klingt zwar arg liturgisch, wird vereinzelt aus stilistischen Gründen aber nach wie vor gebraucht: Der kleine Schatz ward auf das Beste betreut.
Deutschstunde: Geburtstag ist nicht der Tag der Geburt
Ich bekam einen Leserbrief von einem Leser aus dem Ostwestfälischen, der demnächst sein 90. Lebensjahr vollenden wird und mir erklärte, er werde seine überlebenden Verwandten und
Bekannten dann zur Feier seines 91. Geburtstages einladen: „In Wirklichkeit ist es nämlich mein 91. Geburtstag, denn der wichtigste Tag in meinem Leben war doch der erste Geburtstag, an dem ich geboren wurde. Dieser Tag wird später total vergessen. Er zählt einfach nicht bei der Aufzählung der Jahre. Das hat sich in der deutschen Sprache so eingebürgert.“
Von Zeit zu Zeit bekommen wir Journalisten eine derartige Aufklärung von Leuten, die die Jahre offenbar an den Fingern abzählen und deshalb bei eins statt bei null beginnen. Das Wort „Geburtstag“ bedeutet natürlich nicht „Tag der Geburt“, sondern „Jahrestag der Geburt“. Man feiert also den ersten Geburtstag, wenn man ein Jahr alt wird. Der Tag, an dem man 90 Jahre alt wird, ist der 90. Geburtstag.
Das "Ich" darf nicht einfach wegfallen
Das Verb „kündigen“ hat nicht nur während des Lockdowns, sondern auch in der Grammatik eine ambivalente Stellung. Kündigt man im Dativ oder im Akkusativ?, fragte ein Leser. Das Verb kommt vom Adjektiv „kundig“ und bedeutet ursprünglich so viel wie „kundtun, bekannt machen“. Später verschob sich der Gebrauch in Richtung „aufkündigen“, wobei es sich nun um die weniger neutralen Bedeutungen „entlassen, aufheben“ handelte.
Bei Personen wird „kündigen“ mit Dativobjekt gebraucht: Der Filialleiter im Supermarkt hat „der“ Kassiererin (wem?) gekündigt. Bei Dingen und Sachen verwendet man hingegen den Akkusativ: Die Bank hat „den“ Kredit (wen oder was?) gekündigt. Zwei gleiche Kasus hintereinander sollten vermieden werden. In diesem Fall wird kombiniert: Der Spieler hat seinem Verein (wem?) die Treue (wen oder was?) gekündigt.
In einer Firma, die viel Wert auf ihre Kundenkontakte legt, herrschte Unsicherheit, ob das Pronomen „ich“ am Satzanfang oder gar zu Beginn eines Geschäftsbriefes verwendet werden darf. Um die Antwort vorwegzunehmen: Es darf nicht nur, heutzutage muss es sogar dort stehen! Die Auslassung von „ich“ am Satzanfang war früher in der Korrespondenz allgemein üblich, weil man nicht mit dem Pronomen der 1. Person beginnen wollte. Doch früher trug man auch Gehrock, Binder und Vatermörder.
Heute gilt das Weglassen von „ich“ am Satzanfang als stilistisch unschön. Statt „Bestätige hiermit dankend den Eingang Ihres Auftrages“ schreibt man besser: „Ich bestätige dankend ...“ Auch Lebensläufe dürfen mit „ich“ beginnen: „Ich wurde am … geboren.“
Übrigens endet die Briefanrede mit einem Komma und nicht mehr mit einem Ausrufezeichen, und das erste Wort des Textes wird kleingeschrieben, falls das Wort auch einzeln kleingeschrieben werden würde.
Wer in einem Privatbrief den Empfänger mit „Hallo“ anredet, muss hinter dem Hallo ein Komma setzen: „Hallo, Herr Schmachthagen, …“
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