Hamburg. Dompfarrer Peter Mies schreibt über das höchste christliche Fest in Zeiten der Coronavirus-Pandemie.

Solange ich denken kann, waren meine Ostertage durch die Zeichen im Gottesdienst geprägt: das lodernde Osterfeuer und die Kerzen, der fröhliche Gesang, die Hoffnung weckenden biblischen Texte, die jubelnde Orgel oder auch strahlende Trompete. In diesem Jahr fällt das alles aus.

Aber: Ostern fällt nicht aus. Denn Ostern ist nicht nur in unseren kirchlichen Versammlungen. Ostern ist in unserem Innern und in der ganzen Welt. Das zeigt uns – in diesem Jahr zeitlich besonders passgenau – die kraftvoll und geradezu plötzlich aufbrechende Natur.

Neues Leben sprießt und schießt mit aller Kraft hervor – vom hellen Grün über das zarte Pastell der Blütenfarben bis hin zum satten Gelb der Osterglocken. Sonnenstrahlen spielen in den Blättern der Bäume, die ersten Vögel zwitschern fröhlich – und sogar ein Schmetterling flattert munter und hurtig vor meinem Fenster: wenn das nicht Ostern ist – neues Leben pur, das wir feiern!

Es lebt nicht nur der Stärkere weiter – auch der Schwächere

Allerdings: So sehr die Natur ein Zeichen für Ostern ist – Ostern sprengt auch gleichzeitig diese Natur. Denn mit der Auferstehung Jesu feiern wir nicht nur, dass das Leben allgemein und grundsätzlich weitergeht, sondern auch individuell. Konkret: Es leben nicht nur die Blumen auf den Gräbern, sondern jeder und jede Einzelne im Grab ist persönlich aufgehoben bei Gott. Und noch eines am Osterglauben sprengt die Natur: Es lebt nicht nur der Stärkere weiter – auch der Schwächere, ja sogar die vielen Opfer (so wie Jesus eines war) empfangen ihr Leben neu von Gott.

Auch all die vielen Toten der Kriege und Verbrechen aus Terror und Mord sind nicht endgültig verloren. So entspricht Ostern der Hoffnung, die in unzähligen Menschen lebt: dass es mit den Tatsachen dieser Welt und der Natur nicht einfach abgetan sei. Hoffnung im Innern.

Deshalb läuten am Ostersonntag zur Mittagsstunde die Glocken der Kirchen im ganzen Land mit vollem Klang – gerade in bedrängenden Coronazeiten. Sie erinnern an das, was wir in der Natur erleben und viele in ihrem Innern erhoffen: neues Leben für alle. Ostern fällt nicht aus.

dompfarrermies@mariendomhamburg.de