Berlin. Kurz hat sich seinen Posten als Kanzler Österreichs zurückgeholt – wenn er einen Partner findet. Kann es mit den Grünen klappen?

Allen politischen Turbulenzen zum Trotz: Die konservative ÖVP von Österreichs Ex-Kanzler Sebastian Kurz hat bei den Parlamentswahlen einen erneuten Triumph eingefahren. Dahinter steckt in erster Linie ein Vertrauensbeweis für den früheren Regierungschef.

Das Ibiza-Erdbeben hat der rechtspopulistischen FPÖ – dem ehemaligen Koalitionspartner – eine Klatsche beschert. Kurz hat davon profitiert.

Für viele Österreicher ist Kurz ein Stabilitätsanker in schwieriger Zeit. Seine Erfolgsformel beruht auf zwei Stärken, die nur auf den ersten Blick in Widerspruch zueinander stehen. Mit 33 Jahren zehrt er immer noch vom Nimbus des jugendlichen Senkrechtstarters.

Andererseits gibt er sich ruhig, wirkt gelegentlich fast altklug. Er strahlt die Routine eines erfahrenen Polit-Profis aus.

ÖVP siegt, FPÖ bekommt Klatsche – Schuld daran ist Strache

Michael Backfisch, Politik-Korrespondent.
Michael Backfisch, Politik-Korrespondent. © Reto Klar | Reto Klar

Dass die FPÖ abgewatscht wurde, hat sie ihrem früheren Chef Heinz-Christian Strache zu verdanken. Das im Mai veröffentliche Ibiza-Video entlarvte ihn als korruptionsanfälligen Partei-Boss, der einer angeblichen russischen Oligarchen-Nichte Regierungsaufträge gegen Gefälligkeiten in Aussicht stellte.

Zudem ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts auf Untreue: Strache soll private Rechnungen über das Spesenkonto der FPÖ beglichen haben. Der Rücktritt Straches nützte einigen.

Trotz dieser Affären und Skandale würde Kurz vermutlich am liebsten wieder mit der FPÖ regieren. Er hat nicht ohne Grund im Wahlkampf die Migrationspolitik ganz oben auf die Agenda gesetzt. Den jüngsten Vorstoß von Deutschland und Frankreich, jeweils 25 Prozent der in Italien gelandeten Flüchtlinge aufzunehmen, bezeichnete er als das „falsche Signal“.

Der ÖVP-Chef fordert einen besseren Schutz der Außengrenzen und mehr Abschiebungen. Auch bei wichtigen innenpolitischen Vorgaben wie Steuererleichterungen liegt er nahe bei der FPÖ. Doch die Freiheitlichen wurden derart abgestraft, dass die Partei für Kurz zur Belastung würde.

Kurz legt die Karten nicht zu früh auf den Tisch

Der alte und neue Kanzler ist allerdings taktisch zu versiert, um seine Karten früh auf den Tisch zu legen. Er rede mit allen, um die Chancen für ein neues Kabinett auszuloten, kündigte er an. Es geht ihm darum, aus einer Position der Stärke zu verhandeln. Selbst eine Minderheitsregierung ist für ihn kein Tabu. So will er den Preis für ein Bündnis mit der

ÖVP, die haushoch gewonnen hat,

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    möglichst hoch treiben.

    Rein rechnerisch wäre - wenngleich mit einer knappen Mehrheit - auch ein Tandem aus ÖVP und Grünen denkbar. Die Grünen, die 2017 noch an der Vier-Prozent-Hürde gescheitert waren, haben enorm zugelegt. Vor allem der große Zuspruch durch klimabesorgte Jungwähler hat der Partei einen enormen Schub verpasst – auch die Alpenrepublik hat einen Greta-Thunberg-Effekt.

    Die Grünen gehen daher mit Rückenwind in die anstehenden Koalitionsgespräche. Doch eine offenere Zuwanderungspolitik ist mit Kurz ebenso schwer zu machen wie die Einführung einer von den Grünen gewünschten Öko-Steuer. Kurz steht vor einer politischen Zwickmühle. Wenig Chancen gibt es hingegen für die Neuauflage einer Großen Koalition, bei der Kurz 2017 den Stecker gezogen hatte.

    Österreich soll größere Rolle in Außenpolitik bekommen

    In der Außenpolitik schwebt Kurz eine größere Rolle Österreichs vor. Sein Ziel ist klar: Er will versuchen, sein Land als dritte Kraft zwischen Ost- und Westeuropa zu profilieren. Er plädiert für eine auf Begrenzung setzende Flüchtlingspolitik und möchte damit die Bedenken Polens und Ungarns aufnehmen.

    Zudem wirbt er für stabile Haushalte und Steuererleichterungen. Für die Grünen – hinter der ÖVP der zweite große Wahlsieger – war dies bislang Teufelszeug. Kurz hat die Wahl mit Glanz und Gloria gewonnen. Doch leicht wird es nun nicht für ihn. Ihm muss die Quadratur des Kreises gelingen.