Berlin. Die Bezirke lassen Familien auf Sterbeurkunden warten. Antragsteller fühlen sich wie Figuren in Kafkas Romanen, findet Thomas Schubert.

Es mag ärgerlich sein, wenn die Zulassung eines Autos Zeit erfordert oder wenn einige Wochen bis zum Termin für die Bestellung des neuen Reisepasses vergehen. Aber wenn Angehörige ihre Toten nicht begraben können, wenn Mütter die Geburt ihres Babys nicht bescheinigt bekommen, dann lässt der Staat die Menschen bei den lebenswichtigsten Ereignissen skandalös im Stich. Zwischen vier und sechs Wochen müssen Familien derzeit warten, bis sie in beliebten Wohnbezirken wie Mitte, Pankow und Lichtenberg eine Sterbe- oder Geburtsurkunde erhalten. Ehe man in Pankow eine Hochzeit anmelden kann, gehen Monate ins Land.

Damit ist die Krise der Standesämter in diesen Teilen Berlins ein unendliches Schauspiel des Staatsversagens – denn schon seit Jahren gelingt es nicht, die Engpässe zu beheben, obwohl ständig neues Personal versprochen wird. Aber nur eine einzige Akademie in Deutschland bildet Standesbeamte aus. Und die sind in den Berliner Bezirken nicht nur besonders stark gefordert, sondern auch besonders schlecht bezahlt. Warum sollte jemand, der in diesem Mangelberuf ausgebildet ist, diesen Job in Berlin wollen?

So fühlen sich Antragsteller in den Krisenstandesämtern weiterhin wie Figuren in Kafkas Romanen: Sie sind hilflos einem bürokratischen Apparat ausgeliefert. Sie bestellen eine Akte, weil der Staat es so verlangt: Für eine Beerdigung und eine Taufe braucht man ein Dokument. Aber wenn der Leichnam eines geliebten Menschen bis dahin im Kühlfach lagern muss, ist das ein Hohn.

Also sollten sich die betroffenen Bezirke und der Senat schnellstens eine Strategie überlegen, wie man Arbeitsabläufe in Behörden den elementaren Angelegenheiten im Leben der Berliner anpassen kann. So lange müssen zusätzliche Aufgaben – wie die Verwaltung des Mietendeckels – warten.

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