Die Wirtschaftsschwäche muss Politik, Gesellschaft und Unternehmen alarmieren – und ist Aufforderung zum Handeln.

Deutschland gleicht immer mehr einem Land des ökonomischen Biedermeiers: Man verfrühstückt die Leistungen der Altvorderen, man gönnt sich einen üppigen Mittagsschlaf der Vernunft und feiert am Abend die eigene Gutmütigkeit. In ungefähr dieser Gemütsverfassung leben wir Deutschen in diesem Jahrzehnt. Satt, selbstzufrieden und selbstgefällig zeigen sich hierzulande nicht nur Politik und Gesellschaft, sondern auch viele Unternehmen.

Die Große Koalition ist vor allem groß im Entdecken von Gerechtigkeitslücken – und noch größer darin, diese durch Steuermilliarden unverzüglich zu schließen; die Gesellschaft dämmert erschöpft in den eigenen Blasen vor sich hin, sie diskutiert keine Zukunftsfragen mehr, sondern brüllt lieber Andersdenkende an. Und die deutsche Wirtschaft erinnert an Herrn Tur Tur, den Scheinriesen aus „Lukas, der Lokomotivführer“: Die Deutsche Bank, Bayer, Thyssen-Krupp, VW, BMW und Daimler sind längst keine Einzelfälle mehr, sondern die Protagonisten eines großen Dramas. Mit einer geradezu selbstzerstörerischen Lust schießen wir derzeit die Automobilindustrie, einen Pfeiler unseres Wohlstands, sturmreif. Den zweiten Pfeiler, den Maschinenbau, knabbern die weltpolitischen Verwerfungen und Handelskriege rasant an. Die Krise ist da – und wie. Aber weil kaum noch Gewerkschafter in der SPD und noch weniger Unternehmer in der CDU aktiv sind, dauert die Erkenntnis in Berlin etwas länger.