Meinung
Leitartikel

Mathe-Debakel: Schüler sind freizusprechen

| Lesedauer: 3 Minuten
Insa Gall
Insa Gall leitet die Hamburg-Redaktion des Abendblatts.

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Foto: Marcelo Hernandez / HA

Senator Rabe (SPD) trifft keine Schuld am verpatzten Mathe-Abi – ebenso wenig wie Abiturienten. Wer die Verantwortung trägt.

Klagen über die schwachen Leistungen der Hamburger Schüler, die ihren Altersgenossen bundesweit hinterherhinkten, sind gern ebenso schnell bei der Hand wie die Kritik an einer angeblich chronisch überforderten Schulbehörde. Doch im Fall des verpatzten Mathe-Abiturs 2019 trifft keines von beidem zu.

Denn erstens hat die Behörde von Schulsenator Ties Rabe (SPD) die Aufgaben, die die Abiturienten zu lösen hatten, nicht geprüft – sie hat deshalb keine Schuld an der schweren Panne. Die Verantwortung dafür liegt beim Institut für Qualität im Bildungswesen (IQB), das in diesem Fall alles andere als Qualität abgeliefert hat.

Das Berliner Institut ist dafür zuständig, Aufgabenvorschläge, die aus den verschiedenen Landesschulministerien eingereicht werden, auf Eignung und Schweregrad zu prüfen und dann diejenigen auszuwählen, die in den bundesweiten Pool gestellt werden.

Hamburgs Schüler sind nicht zu doof

Als einziges Bundesland hat die Hansestadt in diesem Jahr im Fach Mathematik sämtliche Aufgaben aus dem bundesweiten Pool entnommen. Die meisten Länder bedienten sich nur für einen Teil ihrer Aufgaben im Pool.

Damit ist Hamburg Vorreiter, was die Umsetzung national vergleichbarer Standards bei den Abiturprüfungen angeht – die ja alle anstreben. Nicht zufällig war es Senator Rabe, der sich 2012 als damaliger Vorsitzender der Kultusministerkonferenz (KMK) für ein einheitlicheres Abitur stark gemacht und die entsprechenden Reformen auf den Weg gebracht hat.

Zweitens kann keiner sagen, Hamburgs Schüler seien schlicht zu doof für die Aufgaben gewesen. Denn es waren ja nicht sie allein, die sich über die zu schwere Matheklausur beklagt haben: Viele Zehntausend Abiturienten auch aus Niedersachsen, Bremen und dem Saarland, in Mecklenburg-Vorpommern, Berlin, Thüringen und Sachsen-Anhalt haben sich über den Schwierigkeitsgrad der Aufgaben beschwert und mit Online-Petitionen an ihre Kultusministerien gewandt. Massiven Protest gab es auch in Bayern, wo allerdings keine Matheaufgaben aus dem Pool gestellt wurden.

Was sich Hamburgs Schulbehörde vorwerfen muss

Unterm Strich zeigt dies: Das Pro­blem lag nicht bei den Hamburger Schülern, sondern – wie das IQB selbst anerkennt – in den Aufgabenstellungen. Im Berliner Institut sitzen die Experten, die hätten merken müssen, dass die Fragestellungen für die zur Verfügung stehende Zeit zu komplex waren. Den Schweregrad gut auszutarieren scheint gerade in Mathe kompliziert zu sein. In diesem Fall aber lagen die Experten stark daneben.

Übrigens dürfte es auch früher, als die Aufgaben noch an den Schulen entwickelt wurden, schon Klausuren gegeben haben, die am Leistungsstand der Schüler komplett vorbeigingen. Nur hat es damals kaum jemand bemerkt, weil es keinen nationalen Aufschrei gab.

Wenn sich Hamburgs Schulbehörde etwas vorwerfen lassen muss, dann allenfalls, dass sie relativ lange für die Entscheidung gebraucht hat, wie mit dem verpatzten Mathe-Abitur umzugehen ist – länger jedenfalls als andere Bundesländer. Ja, die Behörde war auf Rückmeldungen aus den Schulen angewiesen und musste sorgfältig auswerten, wie die Schüler tatsächlich mit den Aufgaben zurechtgekommen sind. Doch für die 1200 Abiturienten, die am 3. Mai ihr Abitur geschrieben haben, bedeutete die Zeit bis zum 4. Juni langes, banges Warten.

Ungeachtet der Panne, für die in der Hansestadt niemand etwas kann, gilt: Hamburgs Schüler dürfen gern besser werden in Mathematik – ja, sie müssen sogar. Bisher erzielen sie in diesem Fach im Abitur in der Regel einen Notendurchschnitt zwischen 3,1 und 3,4. Damit kann niemand zufrieden sein.


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