Auf einmal ist da wieder ein Stück der Euphorie: Die Sozialsenatorin spricht von Flüchtlingen, „die zu Hamburgern geworden sind“, überschüttet die Unternehmerschaft der Stadt mit Lob, sieht sich natürlich in ihrer Politik bestätigt. Wahrscheinlich gab es seit den Zeiten der übervollen Baumarkthallen keine Nachricht mehr, die auf den ersten Blick so laut „Wir schaffen das“ ruft, wie diese: Knapp die Hälfte der in der großen Krise nach Hamburg gekommenen Flüchtlinge hat bereits einen Job gefunden, so der Chef der Arbeitsagentur in Hamburg.
Ja, man kann und sollte sich darüber freuen, auf welcher Seite des politischen Grabenkampfes man sich in den vergangenen Jahren auch aufgerieben hat. Die Erfolgsgeschichten des Syrers, der seinen eigenen Eisladen in Ottensen eröffnet, oder der Afghane, der den Todesdrohungen der Taliban entkam und nun als Elektrikerlehrling auf der Baustelle glänzt, lassen sich auch von hartgesottenen Rechtspopulisten nicht mehr als „Einzelfälle“ abtun. Nur darf man eben auch nicht in den Tagtraum hineinrauschen, dass nach einem Berg von Problemen nun nur noch die Abfahrt ins Glück folge – oder dass ein Arbeitsplatz schon Integration bedeutet.
Denn nüchtern betrachtet kam die massenhafte Migration aus wirtschaftlicher Sicht noch in einem günstigen Moment, zu Zeiten wirtschaftlicher Stärke. Der konjunkturelle Aufschwung feiert demnächst sein zehnjähriges Bestehen, gleichzeitig ging eine Lücke an Helfern in der Gastronomie und Anzulernenden im Sozialwesen auf, in die Geflüchtete teilweise bereits springen konnten. Die Politik hat mit klugen Programmen wie „Work and Integration for Refugees“ (W.I.R.) dafür gesorgt, dass Hamburg deutlich schneller an der Marke „50 Prozent der Flüchtlinge in Arbeit“ anschlug als andere deutsche Großstädte.
Auch dieser ökonomische Sommer ist jedoch endlich – und danach kann schnell sichtbar werden, was noch nicht gelang. Auch wenn jeder zweite arbeitende Flüchtling eine qualifizierte Stelle hat, sind 41 Prozent bislang nur Gehilfen. Nur eine Minderheit der Gruppe von topqualifizierten Flüchtlingen ist auch in spezialisierten Berufen angekommen. Die Arbeitsagentur steckt dabei in einem Dilemma. Es braucht Zeit, die deutsche Sprache zu lernen – für die Geflüchteten steckt in einfachen Tätigkeiten die Chance auf schnelles Geld, die in einer Containerunterkunft über allem steht.
Auf der anderen Seite gibt es deutliche Hinweise darauf, wie ungleich schwieriger es wird, auch die zweite Hälfte der Flüchtlinge in Arbeit zu bringen. Die Erfolgsquoten der Sprachkurse sind katastrophal. Etwa jeder fünfte Flüchtling kam als Analphabet nach Hamburg. Wer mit der Mehrzahl der lernhungrigen, motivierten Flüchtlingen spricht, hört Schauergeschichten über die Übrigen, die gestrandet sind, sich nicht aufraffen können oder wollen.
Getrieben durch die AfD tritt die Bundesregierung zudem näher an Fallen heran, in die sie schon in den Neunzigerjahren tappte. Syrern wird in einer steigenden Zahl von Fällen nur noch ein „Abschiebeschutz“ gewährt und Integration erschwert, abgelehnte Asylbewerber jahrelang in unklarem Status gelassen. Das erschwert Arbeitsvermittlung so sehr, wie es Arbeitgeber verunsichert.
Dabei sollte Arbeit nur der erste Schritt auf einem langen Weg sein. Die Generation der Gastarbeiter ist ein Beispiel dafür, dass es neben dem Arbeitsplatz mehr für gelungene Integration bräuchte. Kontakte und Offenheit im Alltag – und ja: auch Dankbarkeit dafür, wenn Ausländer Jobs machen, die Deutsche nicht machen wollen. Wir haben es erst dann „geschafft“, wenn Arbeit nicht nur Hoffnung bedeutet, sondern auch zu einem besseren Leben führt.
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