Behutsam schob ich beim Abendbrot die Zeitung in Richtung des Spiegelei-Tellers, über den sich unser Sohn beugte. „Hast du mitgekriegt, was in Neuseeland passiert ist?“, fragte ich. „Ja, so’n Verrückter“, antwortete das Kind, „sah aus wie ,Call of Duty‘.“ Wie was? „Ein Game“, erklärte der 13-Jährige. Woher er denn wisse, wie das Attentat ausgesehen habe, fragte ich. Das Video habe in einer seiner WhatsApp-Gruppen kursiert, erklärte der Junge, er habe es kurz angeschaut, so wie die meisten seiner Kumpel, das Machwerk dann aber gelöscht.

Bemerkenswert, wie verschieden die Altersklassen den Terror wahrnehmen. Ich bin mit den Attentaten der RAF aufgewachsen – gezieltes Morden von mächtigen Männern ohne größere Inszenierung. Das Video von Christchurch wollte ich nicht sehen. Dieses Attentat schließt zwar ideologisch an rassistisch motivierte Terrorakte wie in Oklahoma, Norwegen oder Charlotteville an, bedient sich aber, und das ist neu, an Elementen aus Computerspielen, digitalen Codes und mythologischem Kram, den wir Eltern kaum entschlüsseln können. Was mir wie kranker Irrsinn vorkommt, passt in die Kultur unserer Kinder, vor allem Söhne, die sich in dieser Hybrid-Welt zwischen Fake und Fakt, Prank und Ernst, brutaler Ironie, absichtsvoller Verwirrung und eiskalter Brutalität bewegen.