Meinung
Deutschstunde

Die Sprache kann viele Stolpersteine auslegen

| Lesedauer: 4 Minuten
Peter Schmachthagen

Deutsch ist schwierig, aber manchmal sieht es schwieriger aus, als es ist. Seien Sie mutig und korrigieren Sie!

Es ist einmal wieder Zeit für ein Diktat, das heißt, diktieren wie der Lehrer in der Klasse kann ich Ihnen den Text nicht. Deshalb wollen wir es so halten wie die letzten Male: Sie nehmen die gedruckte Zeitungsseite bzw. drucken online die Kolumne aus, greifen sich einen Kugelschreiber und redigieren das „Diktat“, als wären Sie eine Redakteurin oder ein Redakteur. Natürlich sollen Sie kein sprachliches Kunstwerk aus dem Text machen, sondern lediglich alle Rechtschreib-, Interpunktions-, Grammatik- und inakzeptablen Stilfehler anstreichen. Ich fürchte, einige Leserinnen und Leser grummeln noch wegen des letzten Diktats mit mir, als ich bat, mir die Zahl der gefundenen Fehler zu senden, dann abenteuerliche Quoten gemeldet wurden und ich in der nächsten Folge als Auflösung melden konnte, dass kein einziger Fehler vorhanden gewesen war. Deutsch ist schwierig, aber manchmal sieht es schwieriger aus, als es ist.

Ich tue hiermit Abbitte und verspreche Hand aufs Herz und den Duden unter dem Sitzkissen, dass diesmal mit reichlich Fehlern zu rechnen ist, ja geradezu mit einem Dschungel an Stolpersteinen. Machen Sie sich den Spaß und korrigieren Sie die Vorlage. Niemand kontrolliert Sie dabei. Sie brauchen Ihre Anstriche nicht abzugeben. Wer will, kann mir aber sein Ergebnis gern vorab mailen. Die Auflösung folgt in der kommenden Woche. Hier der Text:

»Nicht bei den Gebrüdern Grimm, sondern bei Karl May lesen wir, dass Old Shatterhand und der Apachenhäuptling, Winnetou, Bruderschaft geschlossen haben. Diesem Autoren ist nichts besseres eingefallen als seine Phantasien aus dem sächsischen Gefängnis in den wilden Westen zu übertragen, für was er Zeit Lebens angegriffen worden ist. Über das Wirken Karl May’s sind schon viele Bögen DIN-A-4-Papier voll geschrieben worden, das die Grenzen der dichterischen Freiheit wiederzuspiegeln scheint. In den Seiten der Karl May-Bände sind bei manchem Jungen nicht nur die Seiten der Sehnsucht nach den Abendteuern der Welt zum Erklingen gebracht sondern auch ein ungesundes, deutschtümelndes Nationalbewußtsein geweckt worden.

Weil die Fussball-Weltmeisterschaft in Rußland bevor steht, lesen die Kinder zur Zeit wie sie es zu Zeiten der Großväter noch getan haben nicht mehr Karl May, sondern sammeln Panini-Bilder und mancher Spruch und mancher Patzer wird durchgewunken, bei was der Aussetzer Loris Karius, dem Torwart des FC Liverpool, in der Erinnerung viele Generationenwechsel überdauern wird. Sein Fehlwurf trieb ihm die Wässer in die Augen. Zwar hat der ex-Mainzer noch Vertrag bis 1921 in Liverpool, aber seine Karriere dürfte dort zuende sein. Dabei war er zuletzt ein recht guter Torhüter gewesen. Jürgen Klopp wird ein Recht haben, das Rechte zu tun, um wieder Ordnung zu schaffen, womit er völlig recht hat.

Der Lehrer hat kommen müssen, um zu erklären: jedermann schreibt man mit Dopple-n. „man“ bedeutet ursprünglich „mensch“ und nicht „Mann“. Von Bülow trat zurück. v. Bülow trat zurück. V. Bülow trat zurück. Drei Möglichkeiten für die Groß- und Kleinschreibung am Satzanfang. Welche ist falsch? „Das müsst Ihr wissen,“ sagte der Lehrer, und kündigte eine neue Klassenlektüre an, nämlich Goethes „Faust.“ So oft der Lehrer den Titel wiederholte, sooft hörte Paulchen Müller nicht zu, und auch die Lust des Banknachbars von Paul war begrenzt. „Es sind jetzt zwei Jahre her, das ich Euch in die Deutsche Literatur einführen will“, schimpfte der Lehrer, „aber der Erfolg ist gleich Null!“ „Wenn sie meinen!“ antwortete Paul, und der vom Lehrer geworfene Tafelschwamm zischte nahe seines Kopfes vorbei. Das Müller’sche Gesetz des schnellen Wegdukens hatte ihn gerettet. Reaktion gut, Deutsch mangelhaft. Aber es ist schließlich noch kein Meister aus dem Duden gefallen.«

Es gibt noch einige Exemplare meines Auswahlbandes „77 Deutschstunden mit Peter Schmachthagen“. Dieses liebevoll und launig aufgemachte Buch (376 Seiten, 14,95 Euro) erhalten Sie bei Ihrem Buchhändler, in der Abendblatt-Geschäftsstelle (Großer Burstah), bei Thalia und im Internet.

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