Der Orkan „Xavier“, laut Jörg Kachelmann „ein ganz normaler Herbststurm“, fegte auch über unser Dorf. Die Folgen waren alles andere als normal, jedenfalls auf meinem Grundstück. Die Krone des riesigen Silberahorns, der sich in 40 Jahren zum Wahrzeichen unserer Siedlung hochgewachsen hatte, brach herunter und blockierte die Straße. Da unsere Freiwillige Feuerwehr andernorts im Dauereinsatz war, blieb mir nichts anderes übrig, als selbst zur Kettensäge zu greifen und die Straße freizuschneiden. Ich will meine Verletzungen am Schienbein und am linken Ringfinger als Folge meines Notfalleinsatzes nicht näher schildern und auch nicht die Standpauke meiner Tochter, die meinte, ich solle in meinem Alter zum Duden und nicht zur Kettensäge greifen. Ich hatte dennoch ein beruhigendes Gefühl: denn ich war versichert, und zwar gegen alle möglichen Schäden an mir selbst und an meinem Eigentum.
Schließlich ist das Adjektiv sicher aus lat. securus (sorglos, unbekümmert) entlehnt, und sorglos und unbekümmert soll angeblich derjenige allen Fährnissen des Lebens ins Auge sehen können, der rundum und ausreichend versichert ist. Doch nicht um das Kleingedruckte und die Ausschlussklauseln der Assekuranz (fachsprachlich für das Versicherungsgewerbe) geht es hier, sondern um die verschiedenen Bedeutungen des Präfixverbs versichern, wobei das Verb je nach Bedeutung verschiedene Kasus (Fälle) regiert.
Beginnen wir im Hinblick auf meinen Sturmschaden mit der Bedeutung „eine Versicherung abschließen“, also „jemanden, sich, etwas bzw. gegen etwas versichern“. Dabei steht die Bezeichnung für die Person oder die Sache, die versichert werden soll, im Akkusativ (4. Fall), und der Grund oder Zweck des Vorgangs wird mit der Präposition gegen angeschlossen: Mein Nachbar versicherte seinen Wagen (wen?) gegen Diebstahl. Sie hat sich gegen Unfälle versichert. Das Schadensrisiko kann auch ungenannt bleiben: Er hat sich hoch versichert. Du (wer?) musst dich (wen?) versichern.
Häufig treffen wir auf die Bedeutung „etwas versprechen, fest zusagen“: Ich versichere dir, dass die Rechtschreibreform viele Erleichterungen gebracht hat. Derjenige, der der Versicherung Glauben schenken soll, wird dabei in den Dativ (3. Fall) gesetzt (dir, wem?). Fritz versicherte ihm bei seiner Freundschaft, dass er ihn stets unterstützen werde. Früher wurde auch der Akkusativ gebraucht: Er versicherte sie (wen?), dass er sie ewig lieben werde. Allerdings gilt der Akkusativ heutzutage in diesem Zusammenhang als reichlich verstaubt.
Bei versichern in der Bedeutung „jemandem Gewissheit über etwas geben“ steht die Bezeichnung für die Person im Akkusativ und die für die Sache selbst im Genitiv (2. Fall): Ich versichere Sie (wen?) meiner Hochachtung (wessen?). Er versicherte ihn seines Schutzes. Besonders in Kondolenzschreiben neigen die Leute zu gewählten Formulierungen: Hiermit möchten wir Sie unserer Anteilnahme versichern. Das Zugesicherte (unserer Anteilnahme) taucht dabei als Genitivobjekt auf, die betroffene Person als Akkusativobjekt (Sie). Obwohl der Genitiv leicht wie eine Oktave zu hoch klingt, sollte man trotzdem standardsprachlich beim Kasus der Sache nicht in den Akkusativ abgleiten, wie man es leider häufig hört: Ich versichere Ihnen mein Vertrauen.
Das reflexive sich versichern hat die Bedeutung „sich Sicherheit über jemanden oder etwas verschaffen“. Hierbei steht die Person oder Sache, über die sich jemand Gewissheit verschaffen will, im Genitiv: Es galt, sich der Vertragstreue (wessen?) aller Partner zu versichern. Er spielte mit dem Gedanken, sich des forschen Besuchers zu versichern.
Nach der Lektüre dieser Kolumne dürfen Sie versichert sein, dass Sie nun beim Gebrauch von versichern gegen alle Fallen beim Versichern versichert sind. Im Übrigen versichere ich Sie der Tatsache, dass es für versichern viele schöne Synonyme (Wörter gleicher oder ähnlicher Bedeutung) gibt, die Sie getrost gebrauchen können, ohne sie versichern zu müssen: (fest) behaupten, beteuern, betonen, (jemandem) Brief und Siegel geben, zusichern, vorsorgen und noch einige mehr.
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