Berlin. Auch wenn es schwer wird: Die Jamaika-Partner sind nach der Bundestagswahl zum Erfolg verpflichtet. Zwei Fragen müssen geklärt werden.

Jetzt geht’s los. Drei Wochen nach der Bundestagswahl, drei Tage nach der Wahl in Niedersachsen beginnen am Mittwoch die Gespräche für das erste Jamaika-Bündnis auf Bundesebene. Na endlich, es wurde auch Zeit. Es gab Gründe, in den vergangenen Wochen nur mit angezogener Handbremse Richtung Jamaika zu steuern. Die Rücksichtnahme auf die Wahlkämpfer in Niedersachsen, die Friedensgespräche zwischen CDU und CSU über die Obergrenze. Doch auch jetzt geht die großzügige Zeitplanung weiter: Die Sondierungsrunden werden Wochen dauern, danach beginnen die eigentlichen Verhandlungen über den Koalitionsvertrag. Bis alle zugestimmt haben, blühen schon die Krokusse.

Sicher, die Länge des Zeitplans entspricht der Länge des Wegs, den die vier Parteien aufeinander zugehen müssen. Auch die, die politisch verheiratet sind. Denn nach der Niedersachsen-Wahl gärt es in der Union wieder stärker. Trotz der Einigung zwischen CDU und CSU über die Einwanderungspolitik wird sichtbar: Hier sitzen vier Parteien an einem Tisch. Und alle haben Angst. Die CSU ist getrieben von der Furcht, im nächsten Jahr die Landtagswahl in Bayern zu verlieren.

Jamaika abgestraft - Merkel bestreitet Auswirkung auf Sondierung

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    Dreierbündnis braucht eine Idee, die alle eint

    Die FDP hat Angst, alte Fehler zu machen und als Umfaller zu gelten. Die Grünen fürchten ihre linke Parteibasis, die jeden Kompromiss argwöhnisch beobachtet. Und Angela Merkel kann es sich nicht leisten, das Profil der CDU in einem Jamaika-Bündnis bis zur Unkenntlichkeit zu verwischen – weil ihr schon jetzt die innerparteilichen Kritiker im Nacken sitzen. Gleichzeitig hat sie Angst, dass die CSU nun endgültig die Strategie des österreichischen Wahlsiegers Sebastian Kurz übernimmt und massiv nach rechts schwenkt. Eine „mentale und pädagogische Herausforderung“, nennt FDP-Vize Wolfgang Kubicki das. Man könnte auch sagen: eine Expeditionstruppe, bei der jeder eine andere Landkarte in der Hand hält.

    Zwei Fragen müssen nun rasch geklärt werden. Erstens: Gibt es eine Verständigung darüber, was Jamaika außer einer Machtoption eigentlich sein soll? Das Dreierbündnis braucht eine Idee, die alle eint und die zum Markenzeichen des Bündnisses werden kann. Eine Bildungsoffensive plus digitale Kraftanstrengung? Das klingt viel zu dünn, um vier Jahre lang Gemeinschaftssinn zu stiften.

    CSU will nicht mehr als 200.000 Zuwanderer ins Land lassen

    Zweitens: Gibt es die Chance, sich bei den vielen Streitfragen zu einigen, ohne dass eine der vier Parteien zu weit über ihre roten Linien gehen muss? Die Grünen wollen das Ende des Verbrennungsmotors, die FDP will das Ende des Soli-Zuschlags, die CSU will nicht mehr als 200.000 Zuwanderer ins Land lassen. Energiewende, Entlastung, Einwanderung – die Fronten verlaufen je nach Thema verschieden. Aber: Sie sind zum Erfolg verpflichtet. Denn was wäre, wenn Jamaika scheiterte? Die SPD hätte ein massives Problem mit der Glaubwürdigkeit, wenn sie sich erst als kämpferische Opposition verkauft, um dann doch in eine große Koalition zu schlüpfen. Und Neuwahlen? Die Sorge ist viel zu groß, dass die AfD ihren Erfolg noch ausbauen könnte.

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      Jamaika wird nicht leicht. Die meisten Deutschen aber sehen dem Dreierbündnis mittlerweile gelassen entgegen: Drei von vier Bundesbürgern glauben, dass Jamaika kommt, eine knappe Mehrheit fände es sogar gut. Bemerkenswert: Die größte Zustimmung gibt es bei den Grünen, doch auch die Anhänger von Union und FDP sprechen sich mit klarer Mehrheit für Jamaika aus. Deutschland ist reif für die Insel-Koalition. Je zügiger sich die Verhandler einigen, desto größer wird der Schwung sein, der von Jamaika ausgehen kann.