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Wahl in NRW – die Kraft-Probe

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Matthias Iken

Nordrhein-Westfalen ist nicht Schleswig-Holstein – Überraschungen sind aber nicht ausgeschlossen.

Die Wahl in Nordrhein-Westfalen wird spannend – das verrät schon der Blick in die „Bunte“: Weder Ministerpräsidentin Hannelore Kraft noch ihr Herausforderer Armin Laschet haben die Hochglanzpostille zur Homestory geladen, sie machen noch ganz klassisch Wahlkampf. Und die Umfragen prophezeien ein enges Rennen. Zuletzt hatte die CDU die Nase vorn, andere sehen einen Vorsprung der Amtsinhaberin; für alle Parteien ist etwas dabei. Aber was von Umfragen so zu halten ist, haben wir an dieser Stelle schon diskutiert.

Wahlen in NRW sind etwas Besonderes, sie gelten wegen der 18 Millionen Einwohner als kleine Bundestagswahl. 1995 bekam Rot-Grün die Mehrheit; damit war der Weg für die Machtübernahme in Berlin bereitet. Im Mai 2005 führte die schwere Niederlage der SPD (übrigens mit 37,1 Prozent) dann zu vorgezogenen Bundestagswahlen und dem Ende von Rot-Grün.

Entsprechend aufgeregt blickt das ganze Land auf den Urnengang. Einige politische Welterklärer versuchen jetzt, mit der Wahl in Schleswig-Holstein auch den Ausgang in Nordrhein-Westfalen vorherzusagen. Das ist praktisch für den Münsteraner Lehrer oder den Kohlekumpel im Pott – er hat nun am Sonntag frei und muss nicht mehr wählen gehen. Denn das, so die Logik, hätten der Schafhirt von Pellworm oder der Kohlbauer aus Dithmarschen schon für ihn erledigt.

Natürlich gibt es Trendwähler, die auf Gewinner setzen. Und doch: Nordrhein-Westfalen ist nicht Schleswig-Holstein, Hannelore Kraft nicht Torsten Albig und eine Landtagswahl auch keine Bundestagswahl. Die Sozialdemokraten an Rhein und Ruhr unterscheiden sich von den Sozialdemokraten an Nord- und Ostsee, für die CDU gilt das Gleiche: Traditionell ist links von den Sozialdemokraten im Norden nur noch das Watt. So setzte die SPD in Kiel etwa auf eine eigene Asylpolitik in Abgrenzung zur Partei und der Großen Koalition und machte der Linkspartei schon im Wahlkampf gewisse Avancen. Rot-Rot-Grün aber ist bei vielen Wählern ähnlich populär wie „Bunte“-Interviews; das Ergebnis ist bekannt. Hannelore Kraft hat rot-rot-grünen Spekulationen nun eine klare Absage erteilt, auch in der Flüchtlingspolitik hat sie stets die Politik der Großen Koalition unterstützt. Sie ist eine Frau der Mitte.

Gleiches gilt für Armin Laschet, ihren Herausforderer. Zeitweise klingen sie so wortgleich, dass man sich in einer Großen Koalition wähnt. Als ehemaliger Integrationsminister unter Jürgen Rüttgers hat Laschet seinem Namen alle Ehre gemacht und sich gar den Spitzname „Türken-Armin“ erworben. Einen eifrigeren Unterstützer der merkelschen Grenzöffnung als Laschet musste man in der Union lange suchen. Um auch die konservativen Wähler an sich zu binden, hat er nun Wolfgang Bosbach gefunden – er soll die AfD kleinhalten, mit ungewissem Ausgang. Das fiel den traditionell konservativen Parteifreunden im Norden leichter. Daniel Günther hatte als Newcomer mehr Bewegungsfreiheit, die volle Breite des politischen Raums zu bespielen.

Armin Laschet wiederum hat in den vergangenen Wochen zugelegt. Sein Schlusslicht-Wahlkampf, der auf die katastrophale Situation im „deutschen Griechenland“ („Bild“) hinweist, ist aber ein Spiel mit dem Feuer. Zwar stimmt vieles an der Kritik, sie erschüttert aber das Lebensgefühl und verletzt den Stolz der Wähler. Wer ohnehin mit einer Großen Koalition rechnet, wird vermutlich eher die inszenierte Kümmerin, die Landesmutter Kraft, wählen. Sie trägt allerdings eine demoskopische Fußfessel namens Ralf Jäger, der als Innenminister völlig überfordert scheint.

Spannend ist der Stimmungstest für die kleinen Parteien. Die AfD und die Grünen erhoffen sich einen Ausbruch aus dem Abwärtstrend, die Linke will in den Landtag. Die FDP findet sich mit ihrem Spitzenkandidaten Christian Lindner zurück in der Erfolgsspur. Umfragen trauen der Partei bis zu 13 Prozent zu, eine komfortable Ausgangsposition für die Bundestagswahl. Wenn da mal nicht der „Bunte“-Effekt Lindner ausbremst. In der aktuellen Ausgabe bekommt er drei Seiten und verrät Sensationelles („Ich trinke gern mal ein Glas Wein und rauche eine Zigarre“). Damit macht er die Wahl noch spannender ...

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