Meinung
Deutschstunde

Es geht immer wieder um die gleichen Sünden

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Peter Schmachthagen

Der Pastor schimpft, und Konrad Duden wundert sich. Auch im neuen Jahr bleiben die Stolpersteine die alten

Auf ein Neues im neuen Jahr! Ich hoffe, Sie haben einen unfallfreien Rutsch getan und auch Ihre Kartengrüße ohne größeren Unfall bei der Rechtschreibung verschickt. Wie Sie wissen oder wissen sollten, schreibt man das neue Jahr mit kleinem „n“. Das neue Jahr folgt auf das alte Jahr, und das neue Jahr ist kein Unikat und somit kein Eigenname, denn nach jedem Silvester (mit „i“) reiht sich an das alte Jahr ein neues – auf ein Neues bekommt hingegen ein großes „N“. Hierbei handelt es sich um das substantivierte Adjektiv „neu“, und alles das, was quasi ehrenhalber in den Rang eines Hauptwortes befördert worden ist, schreibt man groß. Das ist nichts Neues.

Über solche Stolpersteine stolpern wir immer wieder. Manche Fehler werden mit den Rundfunkgebühren sogar frei Haus geliefert. Im öffentlich-rechtlichen ARD-Text war zu lesen: „Der Termin wurde jedoch wegen Baumängeln oder technischen Problemen mehrfach verschoben.“ Unnötig zu sagen, dass hier vom Hauptstadtflughafen die Rede ist, der nach menschlichem Ermessen in dieser Generation nicht eröffnet werden wird. In dieser Beziehung ist Hamburg den Berlinern voraus. Die Elbphilharmonie steht allen Voraussagen zum Trotz wenige Tage vor ihrer Eröffnung. Ich bin sicher, auch auf dem Gebiet der Grammatik führen die Hamburger.

Die Präposition „wegen“ fordert den Genitiv, also müsste es „wegen Baumängel“ heißen. Oder? Falsch! Wird bei einem unbegleiteten Substantiv (ohne Artikel oder Attribut) der Genitiv nicht erkannt, tritt der Dativ ein – wegen Baumängeln ist richtig. Also ist „wegen technischen Problemen“ im Dativ auch korrekt? Wieder falsch! Nun wird das Sub­stantiv durch ein Adjektiv begleitet, das die Genitivmarkierung übernehmen kann. Es muss demnach wegen technischer Probleme heißen.

Ein paar Texttafeln weiter lesen wir in derselben Quelle die Überschrift: „Syrien: Waffenruhe hält scheinbar.“ Wir wollen doch hoffen, dass die Waffenruhe anscheinend hält, weil alle nachprüfbaren Anzeichen dafür sprachen, und dass nicht hinter einem betrügerischen Schein weitergekämpft und -getötet wird. Wenn mein Einkommen im Rentenalter etwas höher wäre, würde ich eine Belohnung für den korrekten Gebrauch des Adverbs anscheinend und des Adjektivs scheinbar aussetzen. Das gilt auch für die Vergleichspartikeln wie und als sowie für die nicht unerhebliche Frage, ob wir es mit demselben (ein Wort) oder dem gleichen (zwei Wörter) Auto zu tun haben.

„Mann in de Tünn!“, sagt der Hamburger, wenn der Pastor in seiner tonnenähnlichen Kanzel die Gemeinde wieder einmal tüchtig „abgekanzelt“ hat. Es geht in der Kirche nicht um die Regeln der Sprache, aber immer um die gleichen Sünden, die Gott vergibt, Konrad Duden die seinen aber nicht. Einige Beispiele gefällig? Buchstabiert man „Entgeld“ oder „Entgelt“? Entgelt ist richtig. Obwohl das Geld hierbei im Spiel ist, handelt es sich um das Substantiv zum Verb entgelten. Heißt es „Herzlich Willkommen“ oder „Herzlich willkommen“? Ein kleines „w“, wenn’s beliebt; willkommen ist ein Adjektiv und wird aus diesem Grunde kleingeschrieben. Übrigens: Ein Wort wird kleingeschrieben und nicht „klein geschrieben“, und wenn es nicht kleingeschrieben wird, wird es großgeschrieben. Kaufen wir das neue Werk des bekannten „Autoren“? Nein, das Werk des bekannten Autors. Sagt man „Es ist“ oder „Es sind zwei Jahre her“? Es ist zwei Jahre her. Bei dieser Gelegenheit: Es heißt „Zwei und zwei ist (nicht: sind) vier“. Schreibt man „Herr“ oder „Herrn“ Paul Meyer? Der Angeschriebene steht nach wie vor im Akkusativ, und man schreibt Herrn Paul Meyer.

Allerdings drohen Briefe auf Papier und mit Briefmarke frankiert auszusterben. Wir benutzen das Internet und senden elektronische Post. Obwohl das auch in Deutschland millionen-, wenn nicht gar milliardenfach am Tag geschieht, herrscht eine große Unsicherheit, ob wir es mit einer „email, eMail“ oder „E-Mail“ zu tun haben. Es heißt die E-Mail, und zwar eindeutig, ausschließlich und amtlich nur so! Dazu ein Hinweis: Briefe auf Papier und im Umschlag werden versandt, elektronische Post wird jedoch versendet.

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