Meinung
Kommentar

Wie die Grammatik mit „wie“ und „als“ jongliert

| Lesedauer: 4 Minuten
Peter Schmachthagen
Der Verfasser, 74, ist „Wortschatz“-Autor und früherer Chef vom Dienst des Abendblatts. Seine Sprachkolumne erscheint dienstags

Der Verfasser, 74, ist „Wortschatz“-Autor und früherer Chef vom Dienst des Abendblatts. Seine Sprachkolumne erscheint dienstags

Foto: Klaus Bodig / HA

Größer als, so groß wie. Doch kompliziert wird es, wenn wir es mit der Konjunktionalgruppe zu tun haben.

Lothar Matthäus (55) war ein überragender Fußballer, zeitweise der beste der Welt. Wäre er 25 Jahre jünger, wäre Deutschland am Sonntag Europameister geworden. Mit der Erfahrung von 150 Länderspielen ist er bestimmt geeignet, uns als Sky-Experte die Taktik und Chancen der Vereine zu erläutern. Zwar kann ich häufig gar nicht so schnell hören, wie Lothar spricht, aber zum rhetorischen Crash kommt es seit Jahren regelmäßig, wenn er als und wie verwechselt. Manches Mal habe ich dann ein lautes „Als!“ gebrüllt. Als zahlender Kunde des Pay-TV-Senders verlange ich, dass die Sky-Redaktion Lothar in der Sommerpause den Unterschied zwischen diesen beiden Vergleichspartikeln beibringt.

Das ist schließlich gar nicht so schwierig. Es heißt „so groß wie“, aber „größer als“. wie drückt eine Gleichheit aus (Susi bekommt so viel Taschengeld wie Lina), als jedoch eine Ungleichheit (Fritz ist größer als Gustav). Wir bewegen uns dann im Komparativ, in der 2. Steigerungsstufe (schön, schöner, am schönsten). Weitaus rätselhafter wird es jedoch, wenn wir uns die Konjunktionalgruppe mit als oder wie vornehmen. Man könnte meinen, dass die Grammatik dabei ihre gemeine Seite zeigt.

Ein Leser fragte, welches Satzglied richtig sei: „für mich als medizinischem Laien“, „für mich als medizinischen Laien“ oder „für mich als medizinischer Laie“. Der Leser bevorzugte den Dativ, richtig ist aber der Akkusativ. Der Bezug für mich ist Akkusativ, also muss auch die Ergänzung im Akkusativ stehen: für mich als medizinischen Laien. Die an ein Substantiv oder Pronomen im Nominativ, Dativ oder Akkusativ angeschlossene als-Gruppe (mit oder ohne Artikel) weist immer Kasuskongruenz auf: ich als Verantwortlicher, mir als Abgeordnetem, bei ihm als einem gläubigen Christen, Ihnen als dem scheidenden Präsidenten. Der Nominativ „Ihnen als der scheidende Präsident“ wäre hier nicht korrekt.

Wenn Sie Formen wie „ihm als Held“ oder „mir als Kolumnist“ lesen, so handelt es sich nur um einen scheinbaren Widerspruch. Auch sie stehen im Dativ, doch ist der Dativ nicht zu erkennen, weil bei schwach deklinierten maskulinen Substantiven die Dativendung häufig weggelassen wird. Geht dem Substantiv ein flektiertes Wort voraus, sind vollständige Formen erforderlich: ihm als strahlendem Helden, mir als älterem Kolumnisten. Weiter lautet die Duden-Regel: Die an einen attributiven Genitiv angeschlossene als-Gruppe steht ebenfalls im Genitiv, aber nur, wenn sie ein Artikelwort bei sich hat: die Besteigung des Berges als des schwierigsten Gipfels, die Überschreitung des Flusses als einer scharf bewachten Grenze. Fehlt der als-Gruppe nach einem attributiven Genitiv jedoch der Artikel, so steht sie gewöhnlich im Nominativ: die Besteigung des Berges als schwierigster Gipfel, die Überschreitung des Flusses als scharf bewachte Grenze.

Aufpassen sollte man, um durch einen falschen Kasus nicht den Sinn zu verfälschen: die Berufung von Dr. Müller als leitendem Arzt in den Personalrat bedeutet, Dr. Müller ist bereits leitender Arzt und wird in den Personalrat berufen, die Berufung von Dr. Müller als leitender Arzt sagt hingegen aus, dass Dr. Müller erst durch die Berufung leitender Arzt geworden ist.

Der Satz „Es geschah an einem Tag wie jeder andere“ ist zwar literarisch, hochsprachlich jedoch falsch. Besser ist es, auch bei wie-Vergleichen die Kasustreue zu beachten – also: An einem Tag wie jedem anderen. Ebenso: Zwischen Freunden wie dir und mir (nicht: du und ich) sollte es keinen Streit geben. Das ist nichts für Leute wie uns (nicht: wie wir). Daran ändert auch der Komparativ nichts. Es heißt „Es gibt nichts Schlimmeres als einen betrunkenen Mann“ (nicht: als ein betrunkener Mann).

Ich weiß, die deutsche Grammatik wäre viel schöner, wenn sie nicht dauernd Ausnahmen und Ausnahmen von den Ausnahmen präsentieren würde. Der Ausdruck „ein Politiker wie er“ (nicht: seiner) ist nämlich richtig. Der Nominativ ist erforderlich, wenn der Bezugsausdruck im Genitiv steht und die wie-Gruppe ein Personalpronomen (er) oder ein Eigenname ist. Es heißt Willy Brandts Verdienste, aber die Verdienste eines großen Politikers wie Willy Brandt (nicht: Brandts).

deutschstunde@t-online.de

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