Es ist nicht ausgeschlossen, dass auf dem Deutschen Evangelischen Kirchentag in Stuttgart ganz am Rande auch von Gott die Rede gewesen sein könnte. Allerdings ist eine solche Botschaft nicht bis zu mir durchgedrungen. Offenbar ging es dort um etwas anderes. „Politische Themen von Flüchtlingsschutz über die Homo-Ehe bis zu den Verhandlungen über das Freihandelsabkommen TTIP standen im Mittelpunkt der mehr als 2500 Veranstaltungen“ (ARD-Text). Eine Hauptstadtzeitung überschrieb einen Bericht über die Stuttgarter Massenveranstaltung dann auch mit der Zeile „Pilgerreise in die Politik“. Da bleibt nur zu hoffen, dass der nächste Kirchentag 2017 in Berlin noch von einem Grünen-Parteitag zu unterscheiden sein wird.
Selbstverständlich geschah das Ganze in geschlechtsübergreifender Sprache, das heißt, dass jedes männlich anmutende Wort gnadenlos um eine weibliche Form ergänzt wurde. Allein die Danksagung während des Schlussgottesdienstes am Sonntagmorgen an die Stuttgarterinnen und Stuttgarter, Einwohnerinnen und Einwohner, Christinnen und Christen, Johanniterinnen und Johanniter, Musikerinnen und Musiker, Ordnerinnen und Ordner, Brotschmiererinnen und Brotschmierer etc. pp. hätte auf die Hälfte verkürzt werden können, wenn die Rednerinnen und Redner davon ausgegangen wären, dass zu den Einwohnern nicht nur Männer, sondern auch Frauen und Kinder zählen. Früher spotteten wir über diese sogenannte Suffragetten-Sprache, doch inzwischen, da es in jeder noch so kleinen Amtsstube von Gleichstellungsbeauftragten und -beauftragtinnen wimmelt, scheint es angezeigt, sich nach der Political Correctness auch der Sexual Correctness in der Sprache zu beugen. Da wird dem Hampelmann eine Hampelfrau, dem Sündenbock eine Sündenziege, der Krankenschwester ein Krankenbruder, dem Wagenknecht eine Wagenmagd, dem Kachelmann eine Kachelfrau und dem Führerschein ein Führerinnenschein beigestellt. Manche Redaktionen erhalten mehr Leserinnen- und Leserbriefe als neutrale Leserbriefe, wobei die Einsenderinnen sich, um die Tipparbeit abzukürzen, mit einem Binnenversal behelfen. So entstanden die überaus geliebten LeserInnenbriefe.
Im offiziellen Programmheft des besagten Stuttgarter Kirchentags lasen wir folgende Ankündigung: „Die Teilnehmenden sind eingeladen, mitzureden und ihre Meinung deutlich zu machen: über Anwältinnen und Anwälte des Publikums und über Saalmikrofoninnen und -mikrofone.“ Wahrscheinlich wurde während der Veranstaltung folgerichtig und gendergerecht ein Adoptionsrecht für Saalmikrofon-Ehen gefordert. Das Gender bezeichnet die Geschlechtsidentität des Menschen als soziale Kategorie im Hinblick auf seine Selbstwahrnehmung, sein Selbstwertgefühl und sein Rollenverhalten. Wohlgemerkt: des Menschen! Doch wer will schließlich wissen, wie ein armes Mikrofon, grammatisch ins sächliche Genus gezwungen, sich in seiner Rolle fühlt? Wer beim Geschlechterkampf der Wörter nicht aufpasst, kann leicht bei Dieter Nuhr im Spätprogramm landen.
Ein stetes Hassobjekt der angeblich männlich dominierten deutschen Sprache ist für die Feministinnen das Indefinitpronomen man. Man (!) hört und sieht es doch geradezu, dass uns hier der zu drei Buchstaben geschrumpfte sprachliche Macho anspringt. Also wurde gendergemäß das Kunstpronomen frau kreiert. Das ist falsch. Denn man bedeutete im Althochdeuten irgendein beliebiger Mensch, und zu den Menschen wollen wir doch bitte auch die Frauen zählen. Sprachen unsere Urväter dezidiert von einem Mann, so mussten sie gomman („Mannmensch“) sagen, zu einem „Weibmenschen“ hingegen wifman, was wir heute noch im engl. woman wiederfinden.
Mit dem Pronomen man bezog und bezieht man sich auf eine unbestimmte persönliche Größe, egal ob es sich dabei um Männlein, Weiblein oder um eine Mischung beider handelt, unter Umständen sogar unter Beifügung einiger Kinder. Das Element man steckt auch im Pronomen je-man-d (irgendein Mensch), während von einer Bildung „jefrau“ nichts bekannt ist.
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