„Mit Interesse und Vergnügen studiere ich Ihre Kolumne“, schreibt Ma-thias K. „Was mir aber auffällt, ist, dass in vielen Artikeln Ihrer Zeitung die neue Rechtschreibung ignoriert wird. Ich habe aufgehört zu zählen, wie oft ich zum Beispiel aufwendig statt aufwändig gelesen habe. Resultiert das aus Unwissenheit, oder boykottieren viele Redakteure noch die Reform, was ich ungeheuerlich finden würde?“ Ich darf den Leser beruhigen. Niemand in der Redaktion boykottiert die Rechtschreibreform, und kein Redakteur ist in die Lokführergewerkschaft eingetreten, um mit den Methoden Claus Weselskys die deutsche Sprache lahmzulegen. Vielmehr irrt der Einsender: aufwendig ist richtig.
Das heißt, eigentlich müssten wir sagen: Die Schreibweise aufwendig ist möglich. Das Adjektiv aufwendig wird vom Verb aufwenden abgeleitet, und das schreibt man nun einmal mit „e“ wie Emil. Allerdings bemühten sich die Reformer, den Stammvokal in allen Wortarten einer Wortfamilie anzugleichen. Und zu dieser Familie gehört auch das Substantiv Aufwand. Leiten wir das Adjektiv hiervon ab, kommen wir zu aufwändig mit „a“ Umlaut. Auch das ist möglich, auch das wäre richtig.
Wir haben es hier mit einer der häufigen fakultativen Schreibweisen zu tun. Fakultativ ist der Gegensatz zu obligatorisch und bedeutet „der eigenen Wahl überlassen“. Klein Fritzchen hat also im Diktat bei vielen Wörtern die Wahl der Schreibweise, wobei es sich bei ihm wohl weniger um gesichertes Wissen denn um Zufall handeln wird. Die Last hat seine Lehrerin, die beim Korrigieren jeder erlaubten Möglichkeit nachspüren muss, bevor sie einen Fehler anstreicht, damit Fritzchens Vater nicht erst zum Direktor und dann zum Verwaltungsgericht läuft.
Auch die Journalisten können nicht auf einer Zeitungsseite so und auf der nächsten anders schreiben bzw. jedes Mal eine Redaktionskonferenz einberufen, um abzustimmen, ob es heute im Blatt aufwendig oder aufwändig heißen soll. Sie müssen sich an ein Wörterbuch halten, das überall verfügbar ist. Das ist der Duden. Bei fakultativen Schreibweisen markiert er die seiner Meinung nach gängigste gelb unterlegt. Für unser Beispiel empfiehlt der Duden die Schreibweise aufwendig, und so wollen wir es halten.
Bis zur Reform schrieb man den Traum, der uns im Schlaf quält, wie „Alptraum“ mit „p“. Als im flachen Norden aufwachsender Schüler dachte ich, die Bezeichnung komme von den Alpen, die sich nachts wie ein Gebirge auf uns legten. Das war falsch. Das Wort kommt vom Alb, einem im alten Volksglauben koboldhaftem, gespenstischem Wesen, das sich auf die Brust des Schlafenden setzt und bei ihm ein drückendes Gefühl der Angst hervorruft. Deshalb entschieden die Reformer, dass der „Alptraum“ wie Albtraum mit „b“ geschrieben werden müsse.
Leider wurde die Reform von 1996/99, angeführt von einem großen Berliner Zeitungshaus, 2006 ihrerseits einer (überflüssigen) Reform der Reform unterzogen, die viele alte Schreibweisen wieder aufleben ließ, ohne die neuen für ungültig zu erklären. Die Zahl der fakultativen Schreibweisen nahm in beängstigender Weise zu. Seitdem darf man sich wieder mit einem Alptraum im Bett wälzen. Der Duden empfiehlt jedoch den Albtraum. So wollen wir es auch in diesem Fall halten.
Die Gämse (früher: Gemse) hat das „a“ mit Umlaut immerhin über die Reform der Reform gerettet. Angeblich sagen jene Bayern mit einem dementsprechenden Bart am Jägerhut Gams zu dem Tier. Auch die Wörter Bändel (früher: Bendel), behände (behende), einbläuen (einbleuen), Gräuel (Greuel), schnäuzen (schneuzen) und Stängel (Stengel) haben mit der Reform eine Stammangleichung erfahren und werden heute so und nur so geschrieben (zumal die alte, etymologische Schreibweise keineswegs einleuchtender war). Der Trommelschlägel bekommt jetzt ein „ä“, beim Schlegel als Rehkeule bleibt’s hingegen beim „e“.
Auf die Barrikaden trieb es 1999 die Reformgegner, als belämmert nicht mehr wie „belemmert“ buchstabiert werden sollte. Schließlich habe das Wort nicht das Geringste mit dem Lamm zu tun! Nein, nicht mit dem Lamm, aber mit lahm.
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