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Müssen die City Hochhäuser bleiben?

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Warum tun sich die Hamburger so schwer mit dem Erhalt ihrer Architektur? Die City-Hochhäuser müssen bleiben.

Es ist eine seltsame Allianz, die sich da gerade zusammentut, um Hamburgs Abrissbirnen zu stoppen. Am Donnerstag haben Denkmalpfleger und der Bund Heimat und Umwelt in Deutschland, an dessen Spitze die CDU-Bundestagsabgeordnete Herlind Gundelach steht, einen Brief an Olaf Scholz geschrieben – Architekten, aber auch die linke Recht-auf-Stadt-Szene sind begeistert. Was ist denn da passiert?

Sie alle sind angetreten, die City-Hochhäuser, auch City-Hof genannt, zu retten – also die vier grauen Klötze am Hauptbahnhof, die viele Hamburger lieber heute als morgen sprengen würden, die Boulevardjournalisten in jedem Sommerloch verbal plattmachen und die auch in den Behörden wenige Freunde haben. Senat und Oberbaudirektor liebäugeln – auch aus finanziellen Erwägungen – mit einem Abriss und Neubau an dieser Stelle. So viel darf man annehmen: Die Mehrheit der Hamburger wissen sie hinter sich.

Aber nicht immer liegt die Mehrheit richtig. Die Argumente des Heimatbundes und des Internationalen Rats für Denkmalpflege Icomos überzeugen: Der City-Hof „steht symbolisch für den Aufbruch Hamburgs in die Moderne der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts.“ Der Hochhauskomplex ist nicht nur der stadträumliche Abschluss des in den 1920er-Jahren gebauten Kontorhausviertels, sondern „setzt sich in Material und Baustruktur absichtsvoll von dessen Backsteinblöcken ab und schreibt in Funktion und Namensgebung die Tradition des Kontorhausviertels fort“. Die Denkmalschützer warnen davor, dass der Abriss eines geschützten Baudenkmals innerhalb der Pufferzone des beantragten Titels des UNESCO-Welterbes einen erheblichen Ansehensverlust bedeuten würde. Wer mit Chilehaus, Ballin-Haus/Meßberghof und Mohlenhof ein Weltkulturerbe in seiner Stadt anmelden möchte, sollte nicht wenige Meter weiter mit der Abrissbirne hantieren oder Sprengmeister spielen.

Die laute Kritik an den City-Höfen ist vor allem eine Frage des Geschmacks. Nun sind die Gebäude in ihrem jetzigen Zustand tatsächlich ein Schandfleck. Es gibt Freaks, die ihn allein deshalb erhaltenswert finden, was auch albern ist. Denn Geschmacksfragen sind im Städtebau problematisch. Was man heute als schön empfindet, ist morgen vielleicht hässlich und wird übermorgen wiederentdeckt. Es gab Zeiten, da flohen die Menschen aus muffigen Gründerzeitbauten in moderne Plattenbauten, da wurden die hohen Decken abgehängt und Stuck abgeschlagen.

Auch beim Denkmalschutz geht es eben nicht um Geschmack, sondern um die Bewahrung des kulturellen Erbes. Dazu gehört die Moderne, und dazu gehört auch der Bau des bekannten Hamburger Architekten Rudolf Klophaus. Leider ist der City-Hof heute grausam, vielleicht sogar mutwillig entstellt. In den 70er-Jahren schraubte man mausgraue Verkleidungen vor die Fassade, das Umfeld der Gebäude ist durch Container verunstaltet. Von der einst ästhetisch strahlend weißen Fassade ist nichts geblieben außer beeindruckenden Fotos aus den Fünfzigern. Mit der Moderne fremdeln die Hamburger, das Backsteinerbe haben sie stets sensibler behandelt – hier wäre nie jemand auf die Idee gekommen, den Klinker hinter Putz- oder Ziegel-Imitaten aus Kunststoff verschwinden zu lassen. Gott sei dank.

Die Verteidigung des City-Hofs verdient Gehör, mit „gelesen, gelacht, gelocht“ kommt die Politik nicht weiter. Der eine Absender Icomos berät das Welterbe-Komitee und gibt Beschluss-Empfehlungen zum Weltkulturerbe. Die andere Absenderin, Herlind Gundelach, spricht für die organisierte Denkmalpflege und war von 2004 bis 2008 Staatsrätin der Hamburger Stadtentwicklungsbehörde, von 2010 bis 2011 Senatorin – und damit Chefin des Oberbaudirektors.

Wie es übrigens auch gehen kann, zeigte erst am Freitag Wilhelmsburg. Hier sollte einer der charakteristischsten Sakralbauten der Stadt, die marode St.-Maximilian-Kolbe-Kirche aus dem Jahre 1974, trotz Denkmalschutzes abgerissen werden. Natürlich ist der Sichtbetonbau nicht jedermanns Sache, aber er steht eben für die Architektur dieser Stadt, ist Denkmal. Und findet nun als Begegnungsstätte der Malteser eine sinnvolle Nachnutzung.

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