Im Ukraine-Konflikt müssen Eskalationen verhindert werden

Als vor einem Jahr mehr als 100 Menschen durch Schüsse auf dem Kiewer Maidan starben, war der Traum von einer friedlichen Revolution, wie sie den meisten anderen ehemaligen Ostblockstaaten gelungen ist, für die Ukraine endgültig geplatzt. Heute, mehrere Tausend Tote und Zehntausende Vertriebene später, stehen Kiew und der Westen relativ ratlos vor der Politik Putins, der sich Zug um Zug nimmt, was er für Russland für unverzichtbar hält. Und vor ihrem eigenen Versagen.

Trotz der hoffnungsvollen Signale, die ein Gefangenenaustausch und der Beginn des Abzugs schwerer Waffen aus dem Kampfgebiet senden, bleibt die Lage unverändert. Moskau hat lediglich seine Taktik variiert. Am größten Teil der Frontlinie mag Ruhe herrschen, damit die Vereinbarung von Minsk weiter als gültig angesehen werden kann. Nach dem strategisch wichtigen Verkehrsknotenpunkt Debalzewe dürfte aber als Nächstes Mariupol eingenommen werden, um eine Landverbindung zur annektierten Krim herzustellen. Weitere Arrondierungen nicht ausgeschlossen. Und wer will Putin wie daran hindern?

Denn während der sein eigenes Reich nach den chaotischen Jelzin-Jahren stabilisieren konnte, seiner Armee eine Modernisierungskur zukommen ließ und den Russen wieder Selbstvertrauen bis zum Bersten einimpfte, wurde die Ukraine weiter von ihren Eliten ausgeplündert, kümmerte sich niemand darum, dem Land eine Identität zu geben, verlotterten die Streitkräfte. Der Westen wiederum wollte Unmutsäußerungen Moskaus nicht ernst nehmen und hat Kiew nicht davon abgehalten, sich in ein aussichtsloses militärisches Unternehmen zu stürzen.

Die Folgen dieser fahrlässigen Politik müssen nun die Ukrainer erleiden. Putin hat recht, wenn er droht, Russland sei militärisch nicht beizukommen. Wenn, dann sind er und seine Oligarchen verwundbarer, wenn es um ihre Einkünfte geht. Sanktionen und Verhandlungen sind nicht nur der Erfolg versprechendere Weg als Waffenlieferungen und Kriegsrhetorik. Sie verhindern auch weitere Eskalationen und retten so Menschenleben.