Die griechische Regierung zerstört das Vertrauen in Europa – und ihr Land

Es ist nicht lange her, da schien in der seit Jahren währenden Griechenland-Krise Licht am Ende des Tunnels: Der Fremdenverkehr legte 2014 um 20 Prozent zu, der Haushalt wies ohne Zinsaufwendungen einen deutlichen Überschuss auf, zeitweilig wuchs die griechische Wirtschaft schneller als in jedem anderen Euro-Land. Der griechische Patient befand sich auf dem Wege der Besserung.

Doch das Licht am Ende des Tunnels könnten nur die Lichter des entgegenkommenden Zuges gewesen sein. Wie Geisterfahrer rasen der Wahlgewinner Alexis Tsipras und sein Finanzminister Giannis Varoufakis derzeit durch Europa. Aufreizend undiplomatisch brüskieren sie ihre Partner, im Irrglauben, so mehr für ihr strauchelndes Land zu erreichen. Sie bewirken das exakte Gegenteil. Nie ging es Hellas so schlecht wie heute: Die Steuereinnahmen brechen weg, weil viele Griechen – offenbar in Erwartung von Steuersenkungen – weniger überweisen; die Bankkunden heben aus Angst vor einem Euro-Ausstieg Milliarden von ihren Konten ab. Und wie sehr die neue Regierung aus Links- und Rechtsradikalen dem Fremdenverkehr schaden wird, steht noch dahin. Tourismusförderung jedenfalls sieht anders aus.

Es rächt sich, dass Europa in den vergangenen Jahren die Wirtschaftsdaten und -statistiken Griechenlands genau in den Blick nahm, nicht aber die gesellschaftlichen Verwerfungen. Ein Wirtschaftseinbruch von rund einem Viertel in Friedenszeiten hat kaum historische Vorbilder, eine Jugendarbeitslosigkeit von zeitweise 64 Prozent verheert eine Gesellschaft. Wer dann noch die Unfähigkeit der abgewählten Regierungen, griechische Millionäre zu besteuern, sah und duldete, darf sich über Tsipras’ Aufstieg nicht wundern. Diese Populisten sind auch Geschöpfe der Troika, ihr Wahlerfolg ist kein Zufall.

Leider aber haben Tsipras und Varoufakis bislang alle Hoffnungen enttäuscht, Griechenland endlich zu reformieren. Stattdessen gefallen sich die beiden in der Rolle der Rebellen, die lieber laut und unverschämt agieren als diplomatisch und lösungsorientiert. Ihre Strategie, jeden Schritt in die richtige Richtung nur wenig später durch drei Schritte zurück zu konterkarieren, ist unverantwortlich. Sie untergräbt jedes Vertrauen und erschwert eine Einigung, während die Uhr tickt. Das Ultimatum der Finanzminister zeigt, mit welcher Schnelligkeit und Radikalität die Griechen jede klassische Problemlösung auf Brüsseler Parkett erschwert haben. Knallharte Sätze wie der von Schäuble, „am 28., 24 Uhr, ist over“, wären bis vor Kurzem undenkbar gewesen.

Mit jedem Scharmützel, jedem Eklat und jedem Scheinangebot verspielen die Griechen Zeit. Dabei haben sie inzwischen genauso wenig Zeit wie Geld. Spätestens im März gehen der Regierung die Mittel aus; das griechische Bankensystem lebt nur noch von der Gnade der Europäischen Zentralbank. Sie versorgt die Finanzinstitute weiter mit Notgeld, obwohl Kritiker darin längst eine verdeckte Finanzierung Athens sehen. Die Zentralbank aber würde ihr Mandat überdrehen, drehte sie Griechenland den Geldhahn zu. Das kann nur die Politik.

Die griechische Regierung, die noch immer für ihr Handeln große Welterklärungen anführt, wird schnell begreifen müssen, dass sie die Geduld der europäischen Partner längst überstrapaziert hat. Die Helfer sind es leid, sich beschimpfen und vorführen zu lassen. Die Reden des politischen Aschermittwochs beweisen, wie die Populisten in Athen den Populismus in Bayern befördern.

Optimisten mögen die seltsame Verhandlungsstrategie für ein großes Spiel halten. Sollten die Griechen bislang nur auf Verbesserungen gezockt haben, müssen sie nun endlich alle Karten auf den Tisch liegen. Sonst steigen nämlich die Mitspieler aus – und für Griechenland ist das Spiel aus.

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