Der HSV enttäuscht weiter seine Fans. Die Forderung nach mehr Bescheidenheit ist falsch

Es war alles angerichtet für die große Party. Geschenke gab es schon in den Tagen zuvor. Klaus-Michael Kühne wandelte sein Millionen-Darlehen in Investoren-Anteile um, beglückte die Fans zudem mit dem Kauf der Namensrechte für den Volkspark. Alexander Otto stiftete zehn Millionen Euro für den Bau des neuen Nachwuchsleistungszentrums. Und dann kehrte auch noch Ivica Olic aus Wolfsburg zurück, Liebling aller HSV-Fans.

Mehr geht eigentlich nicht. Für ein Spiel in einer fast ausverkauften Arena, die nach wie vor zu den schönsten in Europa zählt. Gegen den 1. FC Köln, der auch noch Tausende singfreudige Fans mitbringt.

Und dann das. Wieder kein Tor, wieder verloren, zeitweise vorgeführt von einem Aufsteiger. Die HSV-Profis zeigten sich einmal mehr als unwürdige Gastgeber und Stimmungskiller. Mit nur neun Treffern in 18 Bundesligaspielen ist der HSV in Sachen Torausbeute auf den Spuren des schlechtesten Teams der Bundesliga-Geschichte, Tasmania Berlin, das in der Saison 1965/66 ganze 15 Treffer in 34 Spielen erzielte.

Zugegeben, gegen Köln fehlten dem HSV mehrere Stammspieler. Doch auch dies taugt nicht als Erklärung für eine vor allem in der zweiten Halbzeit derart blutleere Vorstellung. Ohnehin sollte die Zeit der Ausreden endlich vorbei sein. Auch angesichts der überaus komfortablen Trainingssituation. Während der ehemalige HSV-Profi André Breitenreiter als Trainer in Paderborn bei Schnee und Glätte nach bespielbaren Trainingsplätzen fahnden muss, zog der HSV nach einem Wasserschaden in der Kabine in ein zweistöckiges Luxuszelt-Trainingszentrum hoch, Saunen und Entmüdungsbecken inklusive. Ein Club, der es sich leisten kann, im Winterschlussverkauf mal eben 3,5 Millionen Euro Ablöse für zwei neue Spieler zu investieren – nach Olic kam am Sonntag auch noch der Chilene Marcelo Diaz –, muss schlicht liefern.

Entschieden bequemer ist es natürlich, über den angeblich zu großen Erfolgsdruck zu greinen. Bei „bundesliga.de“ durfte jetzt Ex-Trainer Mirko Slomka das Klagelied über die zu hohen Erwartungen von Fans, Sponsoren und Medien anstimmen. Sie würden nicht dem Leistungsstand der Mannschaft entsprechen. Durch das ständige Wiederholen wird diese Platte nicht besser. Im Gegenteil: Sie sendet das komplett falsche Signal.

Beim HSV ist schon lange nicht mehr ein wie immer geartetes Anspruchsdenken das Problem. Wie leidensfähig die Fans mittlerweile sind, dokumentierte der Klassenkampf der vergangenen Saison. Während sich anderswo Spieler nach derart desaströsen Leistungen kaum noch auf die Straße getraut hätten, wurden die HSV-Profis nach dem glücklichsten Nichtabstieg der Bundesliga-Historie gefeiert wie Helden. Niemand in Hamburg postuliert mehr die sofortige Rückkehr in die internationalen Startplätze, obwohl der HSV nach wie vor beim Gehaltsetat zu den Top sieben in der Liga zählt. Hätte es am Sonnabend nach großem Kampf ein 2:2 gegen Köln gegeben, womöglich mit einem Olic-Tor, die Spieler wären mit Ovationen verabschiedet worden.

Die neue HSV-Führung um Dietmar Beiersdorfer muss jetzt genau hinschauen, wer sich in den vergangenen Jahren womöglich in der Komfortzone Volkspark ausgeruht hat. Angesichts von sieben auslaufenden Verträgen ist die Chance für einen personellen Schnitt groß. Macht es wirklich Sinn, Kapitän Rafael van der Vaart einen neuen Vertrag anzubieten, obwohl sich seine Rückkehr längst als millionenschweres Missverständnis entpuppt hat? Sollte der Verein weiter auf altgediente Profis wie Heiko Westermann oder Marcell Jansen setzen? Sind sie noch Teil der Lösung oder schon Teil des Problems? Setzt Trainer Joe Zinnbauer die richtigen Impulse?

Der HSV muss Antworten geben. Ausreden gab es genug.