Schutz vor Terrorismus ist vor allem eine politische Aufgabe

Der Ruf nach schärferen Gesetzen ist nach außergewöhnlichen Verbrechen zu einem Ritual geworden. Folgerichtig wird auch nach den Terrorakten von Paris wieder über die Vorratsdatenspeicherung oder die Archivierung von Fluggastdaten diskutiert. In Frankreich gibt es die Vorratsdatenspeicherung. Sie hat die Morde von Paris nicht verhindert. Auch bei allen anderen Massenerfassungen von Daten ist Vorsicht geboten. Wer viel sammelt, hat auch viel auszuwerten. Die Gefahr, dass Sicherheitsbehörden dann den Wald vor lauter Bäumen nicht sehen und falsche oder gar keine Schlüsse ziehen, ist ebenso groß, wie der Verlust an bürgerlichen Freiheiten nicht akzeptabel ist.

Man kann die Freiheit nicht dadurch verteidigen, dass man sie einschränkt oder gar abschafft. Und der Staat schafft auch nicht mehr Sicherheit, wenn er ihm unangenehmen Demonstranten das Mitführen von Mohammed-Karikaturen verbieten will, wie es in Leipzig versucht wurde. In beiden Fällen gingen die Punkte an die Terroristen, die unsere Liberalität verachten und mit ihr weder umgehen können noch wollen.

Der Staat ist dennoch nicht machtlos. In Frankreich waren ihm die Mörder von Paris bekannt. Sie standen nur im entscheidenden Moment nicht unter Beobachtung. Auch in Deutschland ist einiges über die einschlägige Islamistenszene bekannt. Die Sicherheitspolitiker nennen Zahlen, sie kennen auch die dazugehörigen Namen. Denen muss die volle Aufmerksamkeit der wehrhaften Demokratie gelten, ihnen muss das Reisen schwer oder unmöglich gemacht werden, dort gilt es, Finanzströme zu überwachen und zu unterbinden. Die Ansätze, die auf diesen Feldern verfolgt werden, sind wesentlich zielführender als die allgemeine Datensammelwut.

Das Ganze ist auch kein vorrangig deutsches Problem, sondern ein internationales. So sehr die Amerikaner mit ihrer NSA-Schnüffelei in Verruf geraten sind, wird man auf sie nicht verzichten können. Ein weiterer wichtiger Partner ist die Türkei, über deren Gebiet die meisten der westeuropäischen Dschihadisten in die syrischen und irakischen Kampfgebiete reisen.

Und schließlich sollte bei der Debatte über Islam und Islamismus nicht vergessen werden, dass der Rückgriff auf eine Religion allenfalls den ideologischen Überbau für den Terrorismus liefert. Auch bei den katholischen Bombenlegern und protestantischen Todesschützen in Nordirland ging es am Ende stets um Macht und ökonomische Fragen, nicht wirklich um die Auslegung der Bibel. Auch der Hass der Islamisten auf den Westen speist sich zum einen aus einem ganz irdischen Minderwertigkeitsgefühl. Der Orient hat die Moderne verschlafen, wurde spätestens seit Napoleons Zeiten zum Spielball des Westens und seit dem Beginn des Erdölzeitalters zur geostrategischen Schlüsselregion. Und um deren Kontrolle willen hat der Westen einige katastrophale Fehler begangen. Die jüngsten vor allem die Amerikaner mit ihrer Aufrüstung der afghanischen Mudschaheddin gegen die Sowjets, mit ihren Kriegen im Irak und den Drohneneinsätzen in Pakistan, denen immer wieder Zivilisten zum Opfer fallen. Ein wahres Förderprogramm für Terrorismus. Und es muss die Frage gestellt werden, ob Staaten wie Saudi-Arabien oder die Emirate, selbst im Verdacht Terroristen zu unterstützen und von demokratischen Verhältnissen Lichtjahre entfernt, die geeigneten Verbündeten der freien Welt sind.

Den Staaten des Nahen Ostens eine friedliche und gleichberechtigte Perspektive im Zusammenleben zu geben wäre die politische Langzeitaufgabe des Westens, um den Quell des islamistischen Terrorismus auszutrocknen. Ein zugegeben sehr fern erscheinendes Ziel. Bis es so weit ist, müssen die Staaten für größtmögliche Sicherheit sorgen – ohne die Freiheit unnötig einzuschränken.