Regeln für Berufsangaben auf den Stimmzetteln sind nötig

Wer bin ich, und wenn ja, wie viele? Dieser Gaga-Spruch aus den 1980ern, der es später sogar zum Buchtitel schaffte, passt prima zur neuen Debatte über das Hamburger Wahlrecht. Auf den Stimmzetteln zur Bürgerschaftswahl kann nämlich jeder Kandidat mehr oder weniger freihändig auswählen, was er als Beruf angibt. Die Bewerber dürfen Tätigkeiten nennen, die sie zuletzt vor mehreren Jahrzehnten ausgeübt haben, sie können Ausbildungen oder Studienabschlüsse anführen, auch wenn sie dazugehörigen Berufen schon lange nicht mehr nachgehen – auch Rentner oder Angestellter gehen als Berufe durch. Bis zu zwei Nennungen sind möglich.

Weil die Berufsangabe neben Name, Titel und Geburtsjahr (plus Wohnort auf den Wahlkreislisten) die einzige Information ist, die der Wähler erhält, kann sie für den Ausgang der Abstimmung entscheidend sein. Die Wähler kennen ja kaum Kandidaten, daher haben diejenigen Bewerber die besten Karten, die in bevölkerungsreichen Stadtteilen wohnen und angesehene Berufe angeben. Ein schöner Titel rundet das Ganze womöglich ab.

Angesichts dieser großen Bedeutung ist es eine eklatante Schwäche des Wahlrechts, dass es Kandidaten und Parteien mehr oder weniger selbst überlässt, welche Berufe auf den Stimmzetteln angegeben werden. SPD-Kandidat Hauke Wagner hat sich das jetzt zunutze gemacht – und einen Schnellkurs als Sanitäter absolviert, um diesen angesehenen Beruf auf den Wahlzettel schreiben zu können. Dabei arbeitet er in einem Werbeunternehmen und nicht als Lebensretter. Dieter Biallas von den Neuen Liberalen gibt „Senator a. D.“ an, weil er in den 1970ern mal im Senat saß. Hört sich gut an, als Beruf kann man das aber ebenso wenig bezeichnen wie die Angabe „Bezirksamtsleiter a. D.“ vom SPD-Kandidaten Markus Schreiber. Es gibt viele ähnliche Beispiele.

So frech das Vorgehen ist: Der Fall des „Sanitäters“ Wagner sollte Anlass sein, über diese Schwäche des Wahlverfahrens zu reden – und sie schleunigst auszubügeln. Denn, diplomatisch ausgedrückt: Die bewusste und systematische Täuschung der Wähler ist nicht geeignet, das Vertrauen in Demokratie und Politik zu stärken.