In Griechenland stehen nicht nur die Währung, sondern auch Europas Werte auf dem Spiel

Ein Abschied Griechenlands vom Euro scheint seinen Schrecken verloren zu haben. Jetzt wohl auch für die Bundeskanzlerin und ihren Finanzminister. Finanztechnisch gesehen hat sich seit dem Ausbruch der Schuldenkrise tatsächlich viel getan: Statt auf sich ständig jagenden Gipfeln Rettungsmaßnahmen für in Schieflage geratene Staaten improvisieren zu müssen, gibt es jetzt den institutionalisierten Europäischen Stabilitäts-Mechanismus (ESM). Portugal und Irland sind aus dem Gröbsten heraus. Die Europäische Zentralbank (EZB) hat Finanzspekulanten deutlich klargemacht, dass sie den Euro um jeden Preis verteidigen will. Der Bankensektor wurde krisenfester gemacht. Ein Austritt oder auch ein Rauswurf der Griechen, sollten die nach einem Wahlsieg der Linken den Pfad der verordneten Sparsamkeit verlassen, scheint finanztechnisch heutzutage also beherrschbar.

Aber das ist nur die eine Seite der Medaille. Die technokratische. Aber so wenig wie Deutschland eine AG ist, in der es ausschließlich um Kosten-Nutzen-Fragen und Effizienz geht, ist die Europäische Union ein reiner Wirtschaftsclub.

Ein Staat hat auch eine soziale Verantwortung für seine Bürger, vor allem für die Kranken, die Alten und die Schwachen. Und die EU ist auch eine Wertegemeinschaft, die nicht nur angetreten ist, einen gemeinsamen Markt zu formen. Vor allem ging es darum, alte Gräben zuzuschütten und Feindschaften zu begraben, den Menschen des Kontinents eine bessere Zukunft zu geben.

Natürlich kann man den Griechen vorhalten, dass sie bei ihrem Eintritt in den Euro getrickst haben. Dass der Rest Europas dabei weggeschaut hat, aber nicht … Natürlich gibt es noch immer einen großen Reformbedarf in der hellenischen Verwaltung, sind die Investitionsbedingungen zu schlecht für ausländisches Kapital, muss der Haushalt dringend weiter saniert werden. Das Problem ist, dass dabei die normalen griechischen Bürger auf der Strecke bleiben. Viele von ihnen sind schon verarmt. Weiteren droht dieses Schicksal. Die jetzigen Maßnahmen der internationalen Sparkommissare tragen frühestens in der nächsten Generation Früchte. Und bis dahin?

Es ist kein Wunder, dass sich viele Griechen fragen, wieso für Banken und Staaten Rettungspakete in Milliardenhöhe geschnürt werden, bei ihnen aber nur Durchhalteappelle ankommen. Und so ist es auch kein Wunder, dass mancher den vagen Versprechungen eines Alexis Tsipras glaubt, man könne mit dem Sparen einfach nachlassen. Und dann? Flöge Griechenland aus dem Euro – und der verbliebene Rest an Ersparnissen, den die kleinen Leute nicht wie ihre millionenschweren und steuerallergischen Landsleute ins Ausland bringen konnten, wird von der Inflation gefressen. Eine Wahl, in der die Griechen nur verlieren können. Und niemand, der ihnen einen Hoffnungsschimmer zeigt.

Stattdessen gibt es subtile Drohungen aus dem fernen und ohnehin schon verhassten Berlin, bei einem „falschen“ Wahlergebnis Griechenland mehr oder weniger seinem Schicksal überlassen zu wollen. Damit erntet man allenfalls Applaus bei den heimischen Euro-Skeptikern von der AfD. In Griechenland selbst werden damit eher Trotzreaktionen gefördert.

Die Euro-Zone wäre ohne Griechenland dagegen erst einmal um eine Sorge ärmer. Schön, dass das die Finanzmärkte und manche unserer Politiker nicht mehr schocken kann. Dumm nur, dass dabei ein paar Millionen Griechen auf der Strecke bleiben – und mit ihnen so manche Ideale und Werte Europas. Und gelöst ist das Problem damit auch nicht. Denn in der EU wird das Land auf jeden Fall bleiben, und die Schulden lösen sich nicht in Luft auf. Für die kommt dann im Zweifel auch der deutsche Steuerzahler auf. Ein Armutszeugnis für die EU und ihre Politiker.