Die Handelskammer schlägt einen überparteilichen „Bahnfrieden“ für Hamburg vor

Hamburgs Erster Bürgermeister Olaf Scholz hatte bei der aktuellen Versammlung eines Ehrbaren Kaufmanns allen Grund, sich entspannt zurückzulehnen. So viel Lob für die Rathaus-Regenten, wie es Scholz und seinem Senat zuteil wurde, ist ausgesprochen selten bei diesem Traditionskonvent, bei dem der Politik aus Sicht der Wirtschaft in der Regel die Leviten gelesen werden.

Doch einmal dürfte sich Scholz mächtig geärgert haben. Handelskammer-Präses Fritz Horst Melsheimer hat dem Bürgermeister mit seiner auf den ersten Blick neutral und in alle Richtungen sympathisch wirkenden Aufforderung zu einem „Bahnfrieden“ aller Parteien im Streit über die Grundsatzfrage U-Bahn-Ausbau oder Stadtbahn ein verkehrspolitisches Ei ins Nest gelegt.

Scholz, der beim schienengebundenen Personennahverkehr ausschließlich auf U- und S-Bahn setzt, hat sich bislang konsequent geweigert, über eine Renaissance der guten alten Straßenbahn im Gewand der modernen Stadtbahn auch nur ernsthaft zu diskutieren. Mit Hochdruck arbeitet die Hochbahn vielmehr im Auftrag des Senats an Machbarkeitsstudien zur Realisierung neuer U-Bahn-Strecken, die etwa die Arenen und Stadtteile wie Steilshoop und Bramfeld ans Netz anbinden sollen.

Der Bürgermeister handelt nach der Devise: Das machen wir jetzt, und dafür lassen wir uns (hoffentlich) am 15. Februar wählen. In der nächsten Legislaturperiode will Scholz dann Nägel mit Köpfen machen und die ersten konkreten Streckenerweiterungen zumindest planerisch aufs Gleis setzen. Wiedervorlage beim Wähler: 2020. Etwas vornehmer ausgedrückt: Der Bürgermeister und die SPD setzen auf einen breiten gesellschaftlichen Konsens (mit den Wählern), der politische Kompromiss mit den konkurrierenden Parteien ist ihnen schnuppe.

Scholz mag gute Gründe für seinen strikten U-Bahn-Kurs haben: Die Schnellbahn ist leistungsfähiger als die Stadtbahn, macht in der Realisierungsphase weniger Ärger mit Anwohnern, weil sie zumeist unterirdisch verläuft, und ist deswegen in der Gesamtrechnung möglicherweise günstiger als die ebenerdige Alternative.

Wahr ist auch, dass die Stadtbahn ein Wiedergänger der Hamburger Politik ist. Selbst die SPD war einmal dafür, die CDU erst dagegen und dann dafür. Eine derart wechselnde politische Konjunktur spricht nicht gerade für ein solches Mega-Projekt.

Und doch: In einer modernen Demokratie, die sich nicht zuletzt auf das Prinzip der Transparenz gründet, wirkt die Basta-Devise des Bürgermeisters ein wenig rückwärtsgewandt. Was spricht wirklich dagegen, auch die Stadtbahn-Variante noch einmal in gebotener Gründlichkeit durchzurechnen und den U-Bahn-Planungen gegenüberzustellen? Dabei ist die Überlegung richtig, nicht nur die Parteien an einen Tisch zu holen, wie es Handelskammer-Präses Melsheimer jetzt fordert, sondern eine breite gesellschaftliche Debatte unter Einbeziehung von Experten „anzuzetteln“. Vielleicht ist es sogar klug, am Ende eines solchen Diskussionsprozesses – auf jeden Fall erst dann – die Wähler direkt entscheiden zu lassen. Warum nicht in einem Referendum?

Der Vorschlag Melsheimers war durchaus eigennützig: Die Kammer-Idee einer Metrobahn, die auf Straßen und unterirdisch fährt, ist eine Art Kompromiss zwischen Stadt- und U-Bahn. Ob ausgerechnet die Metrobahn die Lösung des jahrelangen Zwists bringt, darf bezweifelt werden. Gegen die Metrobahn sprechen einstweilen die technischen Probleme, die dieses System verursachen würde.

Wie auch immer: Erst einmal ist Wahlkampf, und da hat Melsheimer mit seiner Idee vom „Bahnfrieden“ den Legitimationsdruck für Scholz erhöht. Der scheinbar harmlose Vorschlag eines überparteilichen Konsenses war feines politisches Florett.