„Ich war Verhörspezialist. Ich habe gefoltert.“ Die schweren Menschenrechtsverletzungen der CIA reißen in den USA tiefe Wunden auf

Zehn Monate nach Beginn des Programms brutaler Gefangenenverhöre durch CIA-Spezialisten schickte der Leiter dieses Programms eine E-Mail an einen Kollegen. Darin warnte er, wie die „New York Times“ berichtete, dass die dauerhaft brutale Behandlung von Gefangenen einem Zugunglück gleiche, das jederzeit passieren könne. Und er beabsichtige, diesen Zug ganz schnell zu verlassen, bevor es knalle. Seinen Vorgesetzten habe er seine ernsthaften Bedenken bezüglich des Programms mitgeteilt und wolle nicht länger damit in Verbindung gebracht werden.

So weit es das Ansehen der USA anbelangt, hat sich das Zugunglück nun ereignet. Und ausgerechnet Regime wie das grausame iranische rufen die US-Regierung genüsslich dazu auf, die Menschenrechte zu beachten.

Doch der Folterskandal fügt den USA auch innenpolitisch Wunden zu, die nur schwer heilen werden. Zum einen reißt sie das ohnehin gespaltene Land noch weiter auseinander. Viele republikanisch gesinnte Amerikaner werten die Veröffentlichung von 500 der 6000 Seiten des Kongressberichtes als unverzeihlichen Verrat der Demokraten von US-Präsident Barack Obama. Der üblicherweise höfliche republikanische Senator von Utah, Orrin Hatch, nannte den Kongressbericht rüde „ein reines Stück politische Scheiße“.

Wie sehr auch die Psyche der Amerikaner angegriffen ist, zeigt ein Artikel von Eric Fair, Professor an der Lehigh University in Pennsylvania. „Mein Sohn konnte im Bus fahren und seinen Freunden erzählen, was sein Vater beruflich macht“, schrieb Fair. „Ich war jemand, auf den man stolz sein konnte. Aber ich bin es nicht. Ich war Verhörspezialist in Abu Ghraib. Ich habe gefoltert.“ Nach Angaben der „New York Times“ war der Armeeveteran als von der CIA angeheuerter „Interrogator“ 2004 im Irak. „Abu Ghraib beherrscht seitdem jede Minute meines Lebens.“ Und der Kongressreport sei eine ständige Erinnerung „an das Land, das wir einmal waren“. Man könne ihm für Abu Ghraib nicht vergeben, schrieb Fair.

Ohne Frage sind die Menschenrechtsverletzungen seitens der CIA das gravierendste Problem. Doch angesichts von aggressiven Regimen auf der Welt, die sich anschicken, ihre Macht auszudehnen, ist auch die offenbar gewordene Dysfunktionalität des größten und wichtigsten Geheimdienstes der westlichen Welt ein Desaster. Die CIA war offenbar völlig zerstritten und zerlegte sich gegenseitig. Erst im April 2006 wurde Präsident George W. Bush über das Ausmaß der Folter informiert.

Wie der Bericht darlegt, habe ihm der Gedanke an Menschen, die, an die Decke gekettet, in Windeln in ihrem eigenen Schmutz hingen, überhaupt nicht behagt. Die CIA hatte in eigener Vollmacht offenbar mindestens 119 Gefangene „behandelt“, bei mindestens 26 gab es keinerlei Beweis für ihre Schuld. Der oben erwähnte Leiter des Verhörprogramms erhielt seinen Job 2002, obwohl der Generalinspektor der CIA zuvor ausdrücklich seine Abmahnung wegen unangemessener Verhörmethoden in Lateinamerika empfohlen hatte.

Und die Entwickler des Programms, die Militärpsychologen James Mitchell und Bruce Jessen, hatten nie zuvor ein Verhör geleitet, sondern nur Trainingsprogramme entworfen. Sie durften ihre eigene Arbeit selber beurteilen – fanden sie exzellent – und erhielten angeblich mehr als 80 Millionen Dollar Honorar, um Gefangene der Wasserfolter zu unterwerfen. Einen Verzicht auf brutale Methoden wiesen sie als „weibisch“ zurück. Ein völlig unerfahrener junger Offizier wurde mit der Leitung eines CIA-Geheimlagers in Afghanistan betraut, der berüchtigten „Salzgrube“. Dort wurde der Häftling Gul Rahman zu Tode gefoltert; der Offizier, den Kollegen als unehrlich, unreif und urteilsunfähig einstuften, wurde von der CIA-Führung für seine hervorragende Arbeit ausgezeichnet. Eine von der CIA angestrebte Untersuchung des Todesfalls wurde abgelehnt. Er sei keineswegs überrascht über das, was in dem Kongressbericht stehe, sagte Ex-Interrogator Eric Fair. „Ich versichere Ihnen, da ist noch viel mehr.“