Die Uni-Leitung macht sich eins mit den Studenten. Das ist durchaus ein Fortschritt

Wenn die Eltern unbedingt mit zu den Konzerten ihrer Kinder oder gar in die Disco wollen, wirkt das nicht nur komisch, es stößt auch auf wenig Gegenliebe bei dem Nachwuchs. Schließlich gilt es, eigene Erfahrungen zu sammeln, Unterschiede deutlich zu machen, die Welt mit den eigenen Augen zu sehen. Deswegen ist es auch nicht nur ein ungewöhnliches Bild, sondern auch ein auf den ersten Blick fragwürdiges Vorgehen, wenn bei einem Protestmarsch der Studenten auch Dozenten, Professoren und sogar Teile der Uni-Leitung mitmarschieren, wie am Dienstag in der Hamburger Innenstadt geschehen. Aber vielleicht lohnt sich doch ein zweiter Blick auf das Geschehen, und zwar auf der Folie der Vergangenheit.

In den vergangenen Jahrzehnten waren Studentenproteste oftmals eher innerbetriebliche Vorgänge – davon können viele Hamburger, die heute mit guten Jobs in Lohn und Brot stehen, ausschmückend erzählen. Natürlich war bei den Generationen, die etwa zwischen 1980 und 2000 die Universitäten besuchten, immer auch die Gesellschaft als Ganzes und die Politik im Besonderen mitgemeint, aber konkret ging es häufig gegen die Uni-Präsidien und anderes akademisches Führungspersonal, das es angeblich nicht verstand, für angemessene Studienbedingungen zu sorgen. Das war die Zeit der überfüllten Hörsäle, gegen die gewettert wurde, aber auch der Kampf für eine generell bessere Ausstattung wurde geführt, und manchmal war man auch einfach dagegen, dass so etwas wie ein normierter Leistungsgedanke Einzug erhält. Der Protest äußerte sich auch damals schon in regelmäßigen Demonstrationszügen, gern wurden aber auch die Eingänge zu den Hauptgebäuden blockiert und Vorlesungen gestürmt; trat der Uni-Präsident vor die „VV“, also die Vollversammlung, musste er sich keine lange Rede zurechtlegen, er war in den Pfiffen ohnehin nicht zu hören. Manches verkam irgendwann zu Semester-Protestfolklore, und viele von denen, die jetzt über die angeblich so unpolitischen Studenten von heute lästern, sind damals selbst lieber an die Ostsee gefahren, wenn die Vorlesungen ausfielen, als den Protest mitzugestalten. Heldentum nach Ladenschluss ist da jedenfalls kein seltenes Phänomen.

Heute organisiert Uni-Präsident Dieter Lenzen den Protest mit, er ruft sogar dazu auf. „Verordnete Demonstrationen, wie albern“, höhnen da einige Altvorderen. Tatsächlich aber wird nur so deutlich, dass die universitäre Landschaft nicht nur im eigenen Saft schmort, sondern dass es darum geht, gemeinschaftlich bei den richtigen Adressaten die Botschaften loszuwerden, und die sitzen außerhalb des eigenen Systems. Politik und Gesellschaft müssen erkennen, dass es eben langfristig nicht ausreicht, die Universitäten nur eben so am Leben zu halten; eine Stadt wie Hamburg, ein Land wie Deutschland, ein Kontinent wie Europa haben im globalen Wettbewerb nur dann eine Chance, wenn sie mehr für Bildung und Ausbildung tun als andere. Konkret auf die Universitäten bezogen wäre es allerdings schon ein großer Schritt, wenigstens in Sichtweise vieler Einrichtungen im Ausland zu kommen.

Lenzen fährt dabei zuweilen einen Schlingerkurs; an einem Tag betont er die erzielten Erfolge, an anderen beklagt er die Zustände an der Universität in markigen Worten. Dass er ein einfacher Zeitgenosse ist, hat allerdings auch vor seinem Amtsantritt niemand behauptet; und dass er sich mit einigen Aktionen derzeit auch für eine Wiederwahl ins Gespräch bringen will, ist absolut möglich. Aber einen Universitäts-Präsidenten, der mit seinem Führungspersonal, den Professoren, und mit seinen Kunden, den Studenten, für eine bessere Zukunft und für eine zielgerichtete Verwendung von eingesparten BAföG-Millionen kämpft, sollten die Hamburger zu schätzen wissen.