2000 Studierende, Professoren und Hochschulchefs verlangen mehr Geld für die Wissenschaft in Hamburg. Der Konflikt zwischen Hochschulen und Senat dreht sich im Kern um drei Punkte.

Hamburg. „Wir sind hier, wir sind laut, weil man uns die Bildung klaut“, tönte es am Dienstagnachmittag in der Hamburger Innenstadt. Mehr als 2000 Studenten und Dozenten gingen gemeinsam auf die Straße, um für „die Ausfinanzierung der Hochschulen zum allgemeinen Wohl“ zu protestieren.

Aufgerufen zu dem Sternmarsch, der vom Dammtor, vom Berliner Tor und aus der HafenCity zum Gänsemarkt führte, hatten der Allgemeine Studierendenausschuss AStA und mehrere Hamburger Universitäten und Hochschulen. Auch Universitätspräsident Professor Dieter Lenzen und die Präsidentin der Hochschule für Angewandte Wissenschaften (HAW), Professorin Jacqueline Otten, sowie führende Vertreter weiterer Hochschulen nahmen an der Kundgebung teil.

„Wir haben noch nicht einmal genügend Proberäume an der Musikhochschule“, klagte Niklas Nieschlag, 23, Student der Hochschule für Musik und Theater (HfMT). Die Stadt gebe zwar unglaublich viel Geld aus, es komme aber nicht bei den Hochschulen an.

Auch Professor Peter Burger, Vorsitzender des wissenschaftlichen Personalrats der Universität Hamburg, kritisierte die Finanzierung der Hochschulen: „Jedes Jahr sinkt der Etat um 2,1 Prozent, weshalb zukünftig mehr als 200 Stellen wegfallen werden.“ Die Personalräte des wissenschaftlichen Personals und des Technischen Bibliotheks- und Verwaltungspersonals hatten unter Burgers Leitung ihre „Personalversammlung“ auf der Straße abgehalten, da sie nicht offiziell demonstrieren durften. Auch Studenten mussten theoretisch mit Ärger rechnen, weil sie Veranstaltungen schwänzten und stattdessen demonstrierten. Die Universität und andere Hochschulen hatten ihre Lehrkräfte jedoch angewiesen, ein Auge zuzudrücken – schließlich hatten sie selbst zu dem Protest aufgerufen.

Die Veranstalter hatten ursprünglich mit rund 4000 Teilnehmern gerechnet

Eigentlich hatten die Veranstalter mit rund 4000 Teilnehmern gerechnet; möglicherweise hielten die ungemütlichen Temperaturen etliche potenzielle Unterstützer der Proteste ab. Diejenigen, die sich trotzdem vor die Tür getraut hatten, hielten sich zwischen den Redebeiträgen bei lauter Musik mit Tanzen warm. Friedlich, aber bestimmt, setzten sich die Demonstranten mit einer Vielzahl von Spruchbändern wie „Unter den Talaren nackt vor lauter Sparen“ oder „Bildung statt Ausbildung“ für ihre ernsten Forderungen ein.

Der Konflikt zwischen Hochschulen und Senat schwelt schon seit Jahren und dreht sich im Kern um drei Punkte. Erstens: Während die Hochschulen früher für jedes Haushaltsjahr mit der Stadt aufs Neue um Geld streiten mussten, hat der SPD-Senat dieses Gefeilsche durch „Hochschulvereinbarungen“ abgelöst. Mit jeder staatlichen Hochschule sowie dem UKE wurden in den Jahren 2012 und 2013 Verträge abgeschlossen, mit denen der Senat ihnen bis 2020 feste Budgets garantiert. Diese Beträge steigen pro Jahr um 0,88 Prozent. „Das ist eine Selbstbindung der Politik, die einzigartig ist“, hatte Uni-Präsident Dieter Lenzen anfangs über die langfristige Planungssicherheit gejubelt. Mittlerweile überwiegt jedoch der Frust, weil die tatsächlichen Kosten der Hochschulen, vor allem für Personal, viel stärker steigen als 0,88 Prozent. Die Unis sind also zum Sparen gezwungen und verlangen, die Vereinbarungen nachzuverhandeln – was der Senat zumindest mit Blick auf den Haushalt 2015/2016, der kommende Woche beschlossen werden soll, ablehnt.

Es geht auch um die Baumängel an Hamburgs Hochschulen

Zweitens geht es um das BAföG: Nachdem der Bund zugesagt hat, diese Ausbildungsförderung komplett zu übernehmen, spart Hamburg rund 30Millionen Euro im Jahr. Während der SPD-Senat mit diesem Geld allgemein Bildungsausgaben finanzieren will, fordern Studenten, Uni-Leitungen und die politische Opposition gleichermaßen, dass diese Summe ausschließlich den Hochschulen zusätzlich zur Verfügung gestellt werden müsse – dabei verweisen sie auf den Geist der Vereinbarung zwischen Bund und Ländern.

Dritter Streitpunkt ist die bauliche Situation der Hochschulen. Zwar ist auf dem Campus der Naturwissenschaften an der Bundesstraße ein Sanierungsprogramm angelaufen, aber der Von-Melle-Park mit dem Philosophenturm im Zentrum ist marode wie eh und je. Uni-Präsident Lenzen hatte daher schon Ende August geschimpft, er wolle endlich vom Senat wissen, wann die „Ruinen, die sich hier Universität nennen“, renoviert werden. Im November hatte Wissenschaftssenatorin Dorothee Stapelfeldt (SPD) angekündigt, dass die Arbeiten in der kommenden Wahlperiode starten sollen. Insgesamt werde in diesem Jahrzehnt eine Milliarde Euro in die bauliche Modernisierung der Hochschulen investiert.

„Es ist für mich selbstverständlich, dass sich Studierende hochschulpolitisch engagieren, das habe ich auch getan“, sagte Stapelfeldt am Dienstag dem Abendblatt. An der Haltung des Senats ändere das jedoch nichts: „Mit den aktuellen Budgets und den Rücklagen können die Hochschulen insgesamt ihren gesellschaftlichen Bildungsauftrag erfüllen.“

Das sahen die Demonstranten naturgemäß anders. Viele von ihnen hatten schon im Jahr 2011, beim ersten Sternmarsch der Hochschulen, gegen die Politik des Senats protestiert. Für Franziska Rieckhoff, Sport- und Biologiestudentin der Universität Hamburg, war es hingegen am gestrigen Dienstag die erste Demonstration. „In meiner Fachschaft Biologie wird sogar schon an den Mikroskopen gespart“, sagte die 21-Jährige.

Auch auf vielen Spruchbändern wurde über einen starken Mangel an Platz und Ausstattung geklagt. „Das ist auch bei meiner Hochschule ein Problem“, sagt Student Niklas Nieschlag von der HfMT. „Wir müssen oft stundenlang auf einen Raum warten.“

Auf solche Zustände stellt sich auch Emre Ügüt ein, der im kommenden Jahr ein Studium an der HAW aufnehmen will. Dass sich die Studienbedingungen bis dahin entscheidend verbessern, glaubt der 19-Jährige zwar nicht. Dennoch war es ihm wichtig, an der Demonstration teilzunehmen: „Wir wollen ein Zeichen für eine bessere Finanzierung der Unis setzen.“