Angriff auf Synagoge verschärft Nahost-Konflikt

Kirchen, Moscheen, Synagogen oder andere Gotteshäuser sind Orte, an denen Gläubige Zwiesprache mit ihrem Gott halten. Sie sind in den meisten Zivilisationen traditionell zugleich Schutzräume vor den Gewalten der Außenwelt. Ein tödlicher Angriff auf dort Betende ist ein besonders schwerwiegender Bruch mit zivilisatorischen Normen.

Die Gewalt im Nahostkonflikt hat mit den Synagogen-Morden von Jerusalem eine neue Dimension erreicht. Diese Eskalation zeichnete sich seit einigen Monaten ab, seitdem Juden wie Araber verstärkt religiöse Elemente in die Krise einbrachten. Dies ist umso gefährlicher, als es rationale Argumente zunehmend auszuhebeln droht. Beide Seiten haben wenig getan, um diese Zuspitzung zu verhindern.

Der ungebremste, völkerrechtlich illegale Siedlungsbau der Regierung Netanjahu, die sich in diesem Punkt beratungsresistent zeigt, sowie die hohen Opferzahlen unter palästinensischen Zivilisten im Gaza-Krieg des Sommers haben die Radikalen bei Hamas und Fatah gestärkt. Dabei war der Krieg eigentlich geführt worden, um den unerträglichen Dauerbeschuss israelischer Städte durch Raketen der Hamas zu beenden. Palästinenserpräsident Mahmud Abbas setzt nun selber zunehmend auf die radikale und sogar offen antisemitische Karte, um nicht vom eigenen Lager gestürzt zu werden. Netanjahu wiederum wird von Ultrareligiösen und Nationalisten in seinem Kabinett getrieben. Mehrere prominente Minister haben unverhohlen mit seinem Sturz gedroht, falls er den Siedlungsausbau bremse und den Palästinensern entgegenkomme.

Der Friedensprozess ist derzeit tot. Vermutlich sehen wir gerade den schleichenden Beginn der dritten Intifada. Der ersten ab 1987 fielen 160 Israelis und mehr als 1100 Palästinenser zum Opfer, der zweiten des Jahres 2000 fast 1100 Israelis und mehr als 3500 Araber. Niemand will noch mehr Opfer in einem dritten Aufstand. Doch die Serie von heimtückischen Morden an Juden der vergangenen Tage wird von Israel wohl mit Vergeltung beantwortet werden. Und so weiter. Es ist jener tödliche nahöstliche Reflex, der das Feuer dieses Konflikts seit mehr als 60 Jahren am Brennen hält.