Neue Köpfe reichen nicht aus, um in Kiel wieder zu regieren

Verwundert reibt man sich die Augen: Die CDU Schleswig-Holstein scheint tatsächlich etwas riskieren zu wollen. Mit dem neuen Landesvorsitzenden Ingbert Liebing, 51, und dem neuen Fraktionsvorsitzenden Daniel Günther, 41, stehen jetzt zwei Männer an der Spitze der Partei, die so gar nicht dem Rollenmodell christdemokratischer Führungskräfte im Norden entsprechen wollen. Beide kommen nicht vom platten Land, beide haben mit Landwirtschaft nichts zu tun – stammen also nicht aus dem Milieu, das immer noch die Kernwählerschaft der Konservativen stellt. Beide sind deutlich jünger als ihre Vorgänger. Dies ist nicht nur ein Generationenwechsel, dies könnte auch ein Themenwechsel sein – hin zu einer städtischen, modernen CDU.

Für die Partei wäre das lebenswichtig. Denn die Nord-CDU sieht immer noch ganz schön alt aus. Die fast zweijährige Amtszeit des Landesvorsitzenden und Landwirts Reimer Böge war eine verlorene Zeit. Programmatisch ist die Partei keinen Schritt vorangekommen. Hinzu kommt, dass es nach wie vor keine überzeugende Regierungsperspektive für 2017 gibt. Das zeigen die Umfragen. Die FDP bricht als potenzieller Koalitionspartner weg, mit der AfD (die Liebing als „Absturz für Deutschland“ verspottete) will man nicht zusammengehen. Dann also mit den Grünen? Oder mit der SPD?

Liebing und Günther müssen auf diese Fragen eine Antwort finden und ihren „Fahrplan zum Regierungswechsel“ daran ausrichten. Regierungswechsel ohne Themenwechsel – das wird nicht funktionieren. Noch ist von einer moderneren Ausrichtung nichts zu spüren. Die Landtagsfraktion ist unter Günther munterer geworden, aber er hat manchen Debatten auch einen unangenehm aggressiven Beiklang gegeben. Inhaltliche Vorstöße betrafen zuletzt die Flüchtlingspolitik (mit der Forderung nach schnelleren Ausweisungen) und die innere Sicherheit (mit der Forderung nach mehr Polizei). Das waren ganz alte Hüte. Die CDU Schleswig-Holstein muss sich entscheiden: Risiko oder weiter so?