Der HSV und der FC St. Pauli stecken beide in Abstiegsgefahr – nur ein Zufall? Es finden sich bei genauerer Betrachtung doch weitaus mehr Parallelen und gemeinsame Gefahren, als man vermuten würde.

Eigentlich trennen beide Vereine ja Welten. Hier der ruhmreiche, in der ganzen Welt bekannte HSV, der danach lechzt, wieder in die Beletage des deutschen (und internationalen) Fußballs hervorzustoßen. Dort der Stadtteilverein FC St. Pauli, der sein Image des unangepassten Clubs pflegt und bei dem die Spieler selbst nach Niederlagen mit Applaus verabschiedet werden. Gemein ist beiden Hamburger Clubs jedoch, dass sie beide auf den vorletzten Platz 17 abgerutscht sind. Mal wieder geballte Abstiegsangst in Hamburg – und es finden sich bei genauerer Betrachtung doch weitaus mehr Parallelen und gemeinsame Gefahren, als man vermuten würde.

Besonders für Hamburg gilt ja die Weisheit: „Wenn im Herbst die Blätter fallen, fallen auch die Trainer.“ In dieser Saison wurde allerdings das Tempo noch mal erhöht. Während Roland Vrabec beim FC St. Pauli bereits am 3. September nach dem vierten Spieltag entlassen wurde, erwischte es Mirko Slomka am 15. September – nach dem dritten Spieltag. Beide Vereine versuchen ihr Glück nun mit früheren U-23-Trainern: Thomas Meggle und Joe Zinnbauer. Mutige, aber ebenso gewagte Entscheidungen, schließlich fehlt beiden Fußballlehrern die Erfahrung eines Abstiegskampfs im Profibereich. Und der Trumpf, mit einem Trainerwechsel für neue Motivation zu sorgen, wurde früh ausgespielt.

Neu ist das Stichwort. Was hat der HSV nicht alles unternommen nach der unterirdischen vergangenen Saison mit dem Fast-Abstieg: neue Struktur, neuer Vorstand, neuer Aufsichtsrat, zwei neue Sportdirektoren, neue Stars und eben ein neuer Trainer. Geblieben ist bisher nur der Misserfolg. Und auch bei den Braun-Weißen steht noch im November das große Stühlerücken im Vorstand und im Aufsichtsrat an. Ob dann ausreichend Fußballkompetenz vorhanden sein wird, um Stresssituationen zu überstehen, muss sich zeigen.

Die finanziellen Anstrengungen sind ebenfalls immens: Während HSV-Chef Dietmar Beiersdorfer den Etat auf die 50-Millionen-Euro-Marke schraubte, gibt der FC St. Pauli rund sieben Millionen Euro für Mannschaft und Betreuer aus, liegt damit auch im oberen Mittelfeld der Zweiten Liga. Während trotz Millionenausgaben für den Offensivbereich (Lasogga, Müller, Holtby) beim HSV die Torarmut ausgebrochen ist, investierte auch der FC St. Pauli stolze 900.000 Euro in die Verpflichtung von Ante Budimir. Sein erster Treffer lässt noch auf sich warten. Wer Ausgaben und Resultate mit der Ligakonkurrenz vergleicht, muss zu dem Schluss kommen, dass die zur Verfügung stehenden Mittel alles andere als effizient eingesetzt wurden.

Die Möglichkeiten für sportliche Korrekturen sind bei beiden Clubs begrenzt: Schon jetzt ist der HSV hoch verschuldet und bräuchte dringend frisches Geld von strategischen Partnern, um seine Eigenkapitalquote zu erhöhen. Und Veränderungen rund um die Mannschaft hat es schon mehr als genug gegeben. Im Vergleich zum Nachbarn steht der FC St. Pauli glänzend da, hat aber durch den Stadionbau kaum Handlungsspielraum.

Vielleicht haben die vielen Umwälzungen bei beiden Clubs auch ihr Gutes: Wer schon alles verändert hat, kann auf Diskussionen über immer wieder neue Maßnahmen verzichten und sich auf die Arbeit mit der Mannschaft konzentrieren. Denn eines liegt auf der Hand: In beiden Teams steckt deutlich mehr Qualität, als sie derzeit abrufen. Auch wenn schwankende Leistungen stets ein Indiz von fehlender Klasse sind, so sind sie genauso ein Beleg für fehlenden kontinuierlichen Aufbau.

Auf eines können sich der HSV und auch der FC St. Pauli dabei in jedem Fall verlassen: Die Leidenschaft und Leidensfähigkeit sind in beiden Fanlagern gewaltig. Wenigstens etwas, was sich trotz aller Krisen noch nicht geändert hat.