Strahlender Dreck in Brunsbüttel – die Altlasten der Kernenergie werden zum Albtraum

„Atomkraft ist beherrschbar“: Mit diesem Satz argumentierten in der Bundesrepublik durchaus angesehene Wissenschaftler, Ingenieure und Konzernchefs für den Ausbau der Atomenergie. Zwei Jahrzehnte lang, in den 70ern und in den 80ern, war der Streit um die angeblich so billige Energie das bestimmende politische Thema. Heute blickt man schwer verkatert auf diese Zeit zurück. Und stellt fest: Noch nicht einmal die Atommüllfässer sind beherrschbar.

Jedenfalls nicht in Brunsbüttel. Wie es auf den Müllabladeplätzen der anderen deutschen Atomkraftwerke aussieht, ist weitgehend unklar. Auch dort dürfte in den vergangenen Jahrzehnten niemand so genau hingeschaut haben. Warum auch. Eine Kontrollpflicht für die Fässer mit dem alltäglichen Dreck, der in einem Siedewasserreaktor genauso entsteht wie in einer Strumpffabrik, der aber eben leider radioaktiv ist, gab es nicht. Dieses Fass hat niemand freiwillig aufmachen wollen.

Irgendwann müsste einmal jemand erforschen, warum ausgerechnet in diesem Bereich der absoluten Hochtechnologie so viele Menschen an Märchen geglaubt haben. An das Märchen der sicheren Endlagerung der Kernbrennstäbe, an das Märchen der sicheren Endlagerung des schwach- und mittelradioaktiven Abfalls, an das Märchen der Erdbebensicherheit und an das Märchen des sicheren Dauerbetriebs – um nur einige zu nennen.

Heute sehen wir die Albträume. Natürlich sollten diese Fässer mit schwach- und mittelradioaktivem Abfall regelmäßig überprüft werden – alles andere wäre gefährlicher Leichtsinn. Immerhin stehen einige schon 30 Jahre in den Kavernen herum, für diesen Zweck sind die Behälter nicht konstruiert. Aber: Natürlich setzt man sich bei einer solchen Inaugenscheinnahme der Strahlung aus, also sollte man es besser nicht machen – alles andere wäre gefährlicher Leichtsinn. Ein Dilemma? Ganz gewiss. Und doch ist das nur eine äußerst milde Variante viel größerer, gefährlicherer Atom-Albträume.

Der gefährlichste Müll der Reaktoren sind die alten Kernbrennstäbe. Da fangen wir gerade wieder einmal an, nach einem Platz zu suchen, wo wir sie für ein paar Hundert Jahre abstellen können, ohne dass sie uns und unsere Umwelt verstrahlen. Es wäre ein Märchen, wenn wir einen solchen Albtraumplatz bald finden würden.

Der schlimmste Albtraum aber wird gerade wahr. Die Atomenergie zersetzt und verstrahlt unseren Rechtsstaat. Weil niemand mehr weiß, wo das ganze radioaktive Zeugs hinsoll, werden Gerichtsurteile obsolet. Im Juni 2013 hatte das Oberverwaltungsgericht (OVG) Schleswig dem Atommüllzwischenlager in Brunsbüttel die Genehmigung entzogen. Die Folgen eines Absturzes eines Airbus 380 auf das Gebäude seien nicht ausreichend geprüft worden, befanden die Richter. Außerdem habe man sich nicht intensiv genug mit der Frage beschäftigt, wie gut der Schutz gegen einen terroristischen Angriff sei.

Folgen hatte dieses Urteil nicht. Noch immer stehen in Brunsbüttel Castorbehälter mit hochradioaktivem Abfall. Noch immer gilt das Angebot der schleswig-holsteinischen Landesregierung, dort einige der 26 Castoren unterzubringen, die sich derzeit in Wiederaufarbeitungsanlagen im Ausland befinden und die demnächst wieder nach Deutschland zurücktransportiert werden müssen.

Am Tag der Verkündung des OVG-Urteils sagte der Umweltminister Robert Habeck (Grüne), in Schleswig-Holstein für die Atomkraft zuständig: „Was soll ich denn machen? Ich kann die Castoren doch nicht auf die Straße stellen.“ Angesichts der Gefährlichkeit des Atommülls bleibt nichts anderes übrig, als Gerichtsurteile zu ignorieren. Die Atomenergie beherrscht uns nun. Restlaufzeit: ein paar Hundert Jahre. Bis auch die letzte Strahlung abgeklungen ist.