Stärkere Wirtschaftssanktionen der EU und der USA gegen Russland sind unvermeidlich

Der Abschuss das Malaysia-Airlines-Fluges MH17 am 17. Juli hat die Lage verändert. Der Tod von 298 wehrlosen Menschen, zumeist Niederländer auf dem Weg nach Asien, war ein Kriegsverbrechen. Mit der unwürdigen Behandlung ihrer sterblichen Überreste setzen die ostukrainischen Separatisten, die möglichen Täter, das schaurige Schauspiel fort, das unter Europas zivilisatorischen Standards nicht hingenommen werden kann. Auch die Annexion der ukrainischen Halbinsel Krim durch Russland im März war völkerrechtswidrig. Die Tat folgte aber zumindest noch einer gewissen machtpolitischen Grundlogik. Der Mord an fast 300 Flugpassagieren ist reine Barbarei.

Russland hat eine rote Linie überschritten – nicht nur, weil es die ukrainischen Abspalter mit Waffensystemen wie jenen Luftabwehrraketen ausrüstete, mit denen sie mutmaßlich das Verkehrsflugzeug abschossen. Sondern auch, weil Russland die Landsknechte in der Ostukraine weiterhin stützt und damit den Bürgerkrieg im Land anheizt.

Der Europäischen Union bleibt keine andere Wahl, als die Wirtschaftssanktionen gegen Russland nun deutlich zu verschärfen. Ginge es nach den USA, wäre dies längst geschehen. Den Europäern gelingt auch dieser späte Schulterschluss nur unter großer Mühe. Fast absurd wirkt es, dass Frankreich im Oktober den ersten von zwei bestellten Hubschrauberträgern wie vereinbart noch an Russland liefern will, um die Arbeitsplätze auf der betroffenen Werft nicht zu gefährden.

Die deutsche Wirtschaft, Russlands wichtigster Handelspartner in Europa, wird die Folgen der Sanktionen zu spüren bekommen. Ohne Zweifel gilt das auch für Hamburg. Nicht nur zahlreiche Unternehmen wie der Versandhändler Otto oder der Kosmetikkonzern Beiersdorf sind in Russland aktiv. Vor allem ist der Hamburger Hafen das wichtigste Drehkreuz für den interkontinentalen Handel via Europa nach und von Russland. Hinter China ist Russland für Hamburg das zweitwichtigste Zielland im seeseitigen Containerverkehr.

Russlands Präsident Wladimir Putin wird sich von Wirtschaftssanktionen vermutlich nicht kurzfristig beeindrucken lassen. Eher kann er seine Machtbasis durch die Wagenburg-Situation, in die er sein Land gebracht hat, zunächst noch ausbauen. Längerfristig aber entsteht Russland gravierender Schaden dadurch, dass seine Handelspartner Ausgleich für die entgangenen Geschäfte in anderen Ländern suchen werden. Russland ist auf Europa wirtschaftlich und technologisch stärker angewiesen als Europa auf Russland. Die hohe Abhängigkeit der EU von russischem Öl und Erdgas würde unter einem lang anhaltenden Sanktionsregime dazu führen, dass Europa seine Anstrengungen zur Einsparung von Energie und zum Umstieg auf andere Energiequellen verstärkt. In Deutschland beschleunigt das voraussichtlich die Energiewende, innerhalb der EU den Austausch von Erdgas und Strom. Beides ist gut.

Europa hält Wirtschaftssanktionen länger durch als Russland, weil es mehr neue Märkte in wirtschaftlich aufstrebenden Staaten besser erschließen kann, sei es in Asien oder in Südamerika. Russlands Handlungsspielraum ist auch dadurch begrenzt, dass das Land die 2000er-Jahre nicht genutzt hat, um seine Wirtschaft zu modernisieren. Außer Rohstoffen und Rüstungsgütern hat Russland im Außenhandel wenig Begehrtes zu bieten.

Europas Wirtschaft und damit die meisten seiner Bürger werden mit den Sanktionen einen Preis dafür zahlen müssen, dass die Krise um die Ukraine am Ende doch politisch gelöst werden kann. Denn ein anderer Preis ist und bleibt unter allen Umständen zu hoch: eine militärische Konfrontation des Westens mit Russland.