Kritiker der Esso-Bebauung haben sich voll durchgesetzt

Eine so groß angelegte Bürgerbeteiligung bei einem konkreten Bauprojekt gab es in Hamburg jenseits von Bürgerentscheiden nur selten: Jeder St. Paulianer soll Gelegenheit bekommen, mitzusprechen über das, was auf dem Gelände der Esso-Häuser gebaut wird.

Fast 100.000 Euro kostet das Verfahren, dessen Fäden in einem „Container-Ensemble mit Dachterrasse“ auf dem Kiez zusammenlaufen. Mit dieser Bürgerbeteiligung de luxe kommen Staat und Investor den Anwohnern und Initiativen auf ganzer Linie entgegen, die mit lautstarker Vehemenz gegen die vermeintliche Gentrifizierung auf dem Kiez protestierten und den Umgang mit den Esso-Häusern zu einer Art Richtungsentscheid über soziale Stadtentwicklungspolitik in Hamburg hochstilisierten. Auch wenn die Aufregung nicht immer ganz nachvollziehbar war: Die Mitsprache, die den Kritikern nun eingeräumt wird, entschärft ihren Widerstand und fördert den Frieden im Stadtteil. Das Thema dürfte vor der Bürgerschaftswahl keinen Zündstoff mehr bieten.

Bürgerbeteiligung ist ein sehr ehrenwertes Anliegen. Allerdings darf die Politik nicht in den Verdacht geraten, die Bürger immer dann mit großer Geste einzubinden, wenn einzelne Initiativen oder Interessenvertreter in der Öffentlichkeit besonders viel Krach schlagen.

Dass deren Atem manchmal erstaunlich kurz ist, zeigt sich nur wenige Hundert Meter vom Esso-Gelände entfernt an der Kersten-Miles-Brücke. Hier sorgte die Errichtung eines Zauns gegen Obdachlose vor einigen Jahren für Empörung bei Bürgern, Verbänden, Kirchen und Oppositionspolitikern, die die ganze Stadt in Aufruhr versetzte. Ein runder Tisch wurde eingerichtet, suchte nach einem Kompromiss. Statt eines Metallgitters riegelt nun ein Bauzaun seit vielen Monaten das Gelände unter der Brücke ab, die Obdachlosen haben sich gegenüber niedergelassen – und niemanden interessiert es. Die Karawane ist weitergezogen.

Politik sollte sich nicht nach denen richten, die am lautesten schreien. Sie muss gute Lösungen finden, die auch über den Tag hinaus tragen.