2011 ließ der damalige Bezirkschef den Platz sperren, um Obdachlose zu vertreiben. Inzwischen steht dort erneut ein Gitter. Doch Proteste bleiben aus.

St. Pauli. Vor drei Jahren sorgte ein Zaun unter der Kersten-Miles-Brücke für eine hamburgweite Empörung. Mit der umstrittenen Maßnahme sollten Obdachlose vertrieben und damit das Stadtbild verschönert werden. Heute steht erneut ein etwa zwei Meter hoher Bauzaun unter der denkmalgeschützten Brücke an der Helgoländer Allee. Und das schon seit anderthalb Jahren – obwohl die Sanierungsmaßnahmen seitens des Landesbetriebs Straßen, Brücken und Gewässer (LSBG) seit dem vergangenen Sommer abgeschlossen sind und dort nicht mehr gearbeitet wird. Obdachlose haben sich dafür auf der gegenüberliegenden Seite unter der Brücke niedergelassen.

Zur Erinnerung: Im März vergangenen Jahres ist die Brücke durch ein Feuer stark beschädigt worden. Obdachlose hatten ihre Wäsche auf einen Grill gelegt, um „Läuse abzutöten“, wie es später hieß. Als ein Pullover Feuer fing und man versuchte, die Flammen mit einem Schlafsack zu ersticken, breitete sich der Brand aus. Der Schaden war derart groß, dass einzelne Steine aus der Decke drohten, herabzufallen. Daraufhin wurde der Bereich unter der Brücke zwecks Renovierungsmaßnahmen gesperrt. Das Bezirksamt Mitte erließ im Anschluss strenge Auflagen für die Obdachlosen: Offenes Feuer, Grillen und Möbelansammlungen seien in Zukunft nicht mehr gestattet. „Es ist zu vermuten, dass sich unter der Brücke wieder Obdachlose niederlassen, sobald die Baugerüste dort abgebaut werden“, hieß es damals. Hat man den Bauzaun deshalb gleich einfach stehen gelassen?

Ist damit der „Obdachlosenzaun“ des damaligen Bezirksamtsleiters Markus Schreiber (SPD) doch noch Wirklichkeit geworden? Der hatte im Herbst 2011 den Zaun unter der Brücke errichten lassen, um Obdachlose von dem Platz fernzuhalten. Daraufhin hatte es heftige Proteste gegeben. Die Empörung in der Stadt war so groß, dass gar ein Runder Tisch eingerichtet wurde, um in der Frage zu vermitteln. Selbst in der SPD rumorte es gewaltig ob des Vorstoßes ihres Genossen Schreiber. Gleichzeitig aber herrschte auch unter den Sozialdemokraten die Furcht, sich beim Thema öffentlicher Raum und öffentliche Sicherheit eine offene Flanke zu leisten. Am Ende führte die Diskussion dazu, dass der 18.000 Euro teure Stahlzaun bereits nach einer Woche wieder abgebaut wurde.

Heute begründet das Bezirksamt die Aufstellung des Zauns mit der Neugestaltung des Alten Elbparks. Die angrenzende Parkanlage soll in den kommenden Monaten aufgehübscht und aufgewertet werden. In den kommenden Wochen sollen bereits einige Bäume zurückgeschnitten und der Hang neben der Brücke zum Teil abgetragen werden. „Es wird vor, unter und hinter der Brücke gearbeitet, daher ist der Bauzaun weiterhin nötig“, sagt Bezirksamtsleiter Andy Grote (SPD). „Wir werden keinen dauerhaften Zaun dort aufstellen, aber in Zukunft sehr genau darauf achten, was dort passiert. Wir sind in der Pflicht zu verhindern, dass dort wieder gelagert wird. Ein solcher Brand darf sich nicht nochmal wiederholen, da die Brücke sonst gefährdet ist.“

Im Zuge der Parkneugestaltung soll auch das Toilettenhäuschen neben der Brücke wieder verschwinden. Um die „unerträglichen“ Zustände – wie Schreiber es damals ausdrückte – in den Griff zu kriegen, wurde die WC-Hütte im Winter 2011 auf dem Hang neben der Brücke aufgestellt. Kosten: rund 25.000 Euro. Nun soll das WC noch in dieser Woche wieder abgerissen werden, wie das Bezirksamt mitteilt. Kosten diesmal: Gut 7000 Euro. „Das Toilettenhäuschen war seit Längerem nicht mehr in seiner ursprünglichen Funktion genutzt worden“, heißt es zur Begründung in einer Senatsantwort auf eine Kleine Anfrage des FDP-Bürgerschaftsabgeordneten Robert Bläsing. „Die Obdachlosen unter der Kersten-Miles-Brücke haben aufgrund der Sanierungsmaßnahmen an der Brücke und der Neu- und Umgestaltung der direkten Umgebung den Platz verlassen.“ Das Toilettenhäuschen habe damit seine Funktion bereits seit Längerem verloren.

Der FDP-Mann befürwortet den Abriss. „Besser spät als nie“, sagt Bläsing. Die WC-Hütte sei in der Vergangenheit nur noch als Wohnhaus genutzt worden. „Es wird Zeit, diese unrühmliche Posse zu beenden.“ Andreas Gerhold, Fraktionschef der Piraten in der Bezirksversammlung Mitte, sieht den Abriss dagegen skeptisch. „Da der Platz unter der Brücke seit Monaten nicht zugänglich ist, wundert es mich nicht, wenn Obdachlose in dem Toilettenhäuschen schlafen.“ Er beklagt, dass die Plätze für Obdachlose in der Innenstadt eingeschränkt würden. „Die Rückzugsorte werden immer weniger.“

Dass es keine öffentliche Empörung wie 2011 gibt, sei verständlich, meint Stephan Karrenbauer, Sozialarbeiter der Obdachlosenzeitung Hinz & Kunzt. „Dieses Mal sind ja auch keine Obdachlosen vertrieben worden.“ Gut möglich, dass durch den jetzigen Bauzaun in Kauf genommen werde, dass sich keine neue Gruppe unter der Brücke ansiedele. „Die Brücke wird auch nicht zusammenbrechen, wenn dort vier Menschen schlafen“, so Karrenbauer. Allerdings könne es auch nicht das Ziel sein, die Brücke zur idealen Heimstätte für Obdachlose zu erklären. „Es muss einfach mehr Angebote der Stadt für sie geben.“ Karrenbauer bezeichnet es als „Armutszeugnis für die Stadt“, dass es Menschen gebe, die in ein Klo-Haus ziehen, um ein Dach über dem Kopf zu haben. Diese Gruppe von Menschen würde seit Jahren verdrängt, ohne dass ausreichend Alternativ-Plätze angeboten würden.

Die grüne Sozialpolitikerin Katharina Fegebank fordert nun, dass zügig geklärt werde, „wann die Bauarbeiten an der Brücke abschlossen sind“. Bereits ein zweites Mal stehe an dieser Stelle ein Zaun. Dort, wo „ein Zaun Gegenstand einer stadtweiten und hitzigen Debatte um die Vertreibung von Obdachlosen“ gewesen sei. Aber auch Fegebank fordert, sich das Thema Obdachlosigkeit grundsätzlich vorzunehmen. „Die Zahlen in den Obdachlosenunterkünften sind alarmierend hoch, auch jetzt im Sommer. Die Auslastung liegt teilweise bei mehr als 120 Prozent. Das zeigt, dass wir in Hamburg dringend zusätzliche Angebote für Obdachlose brauchen.“