Es gibt Fremdwörter, die muss man sich auf den Spickzettel schreiben. Erinnerung an das Diktat aus dem „Fliegenden Klassenzimmer“.

Erich Kästner (1899–1974) ist uns heute weniger als intellektueller Kritiker sowohl der späten Weimarer Republik als auch des „Dritten Reichs“ gegenwärtig, sondern als Autor der so ganz anders gearteten Kinderbücher voller Herzenswärme wie „Emil und die Detektive“ (1929), „Pünktchen und Anton“ (1931), „Das fliegende Klassenzimmer“ (1933) und später „Das doppelte Lottchen“ (1949).

Das „Fliegende Klassenzimmer“ habe ich als Junge 21-mal gelesen, und ein 22. Mal wird nachher folgen. In dem Buch hatten die Realschüler, die seit Generationen im Streit mit den Gymnasiasten des benachbarten Internats lagen, Rudi Kreuzkamm gefangen genommen, der seinem Vater, Professor Kreuzkamm, die Diktathefte der Klasse nach Hause tragen sollte. Die Hefte wurden vor Rudis Augen verbrannt, und als dem Professor am nächsten Tag im Unterricht nur ein in ein Taschentuch eingeknoteter Ascherest übergeben werden konnte, folgte der „Tragödie zweiter Teil“.

Kästner berichtet: „Und dann gab der Professor ihnen ein Diktat, dass es rauchte. Fremdwörter, Groß- und Kleinschreibung, schwierige Interpunktion – es war glatt zum Verzweifeln. Die Tertianer schwitzten eine halbe Stunde lang Blut.“ Von diesem Diktat sprach man übrigens noch nach Jahren. Die beste Zensur war eine Drei.

Leider ist der Text des Diktats im Laufe der Zeit verloren gegangen. Die Duden-Redaktion empfand im Kalender „Auf gut Deutsch“ folgenden – fehlerhaften – Satz nach: „Der Staat Lichtenstein liefert in rythmischen Abständen Gries, Mayonnaise, Meerrettich, Schlemmkreide und Pappplatten sowie Medikamente gegen Halskatharr und Hämmorhiden nummeriert und in Stanniol verpackt an Lybien und Hawaii.“ Kästner und Professor Kreuzkamm erwarteten damals natürlich eine Rechtschreibung nach alter Norm, während wir heute nach der Reformschreibweise korrigieren müssen. Das verschiebt teilweise die Entscheidung über richtig oder falsch. Seinerzeit wäre – ob Sie’s glauben oder nicht! – nummerieren mit zwei „m“ ein Fehler gewesen. Es hieß „numerieren“ wie auch „plazieren“, während wir heute nummerieren wie Nummer und platzieren wie Platz schreiben. Allerdings hat das zweite „m“ in der Fachsprache bis jetzt nicht landen können: Immer noch buchstabieren wir Numerus mit „m“ in der Sprachwissenschaft als Zahlform für Singular oder Plural oder in der Mathematik als die Zahl, zu der der Logarithmus gesucht wird. Auch der Numerus clausus (zahlenmäßig beschränkte Zulassung) muss sich nach wie vor mit einem „m“ begnügen.

Übrigens sollten schon die Tertianer bei Professor Kreuzkamm die Pappplatten mit drei „p“ schreiben. Drei gleiche Konsonanten hintereinander habe es früher nicht gegeben, wie einige Reformgegner ebenso laut wie falsch immer wieder verkündeten? Doch, die gab es, dann nämlich, wenn ein vierter Konsonant folgte: fetttriefend, Sauerstoffflasche, Balletttruppe. Folgte jedoch ein Vokal, fiel der dritte Konsonant weg: „Ballettänzer, Schiffahrt, Stoffaden“. Heute ist es einfacher: Bei Wortzusammensetzungen wird kein Buchstabe unterdrückt, sodass wir in dieser Frage einen Schlussstrich ziehen können.

Sicher ist Ihnen inzwischen ein Licht aufgegangen, dass das Fürstentum zwischen Österreich und der Schweiz Liechtenstein mit „ie“ heißt. Das körnig gemahlene Getreide ist der Grieß mit „ß“ und hat nichts mit dem Griesgram zu tun. Immer daran denken: Nicht zu sparsam mit den „h“ in Rhythmus und rhythmisch – zwei müssen es sein! Die Schlämmkreide (gereinigtes Kreidepulver) kommt nicht von schlemmen (ausgiebig essen und trinken), sondern von schlämmen (von Schlamm reinigen). Sie gelangt nicht in den Magen, sondern als Poliermittel in Zahnpasta nur bis an die Zähne.

Der Versuch der Reformer, schwierige Fremdwörter wie die Hämorrhoiden einzudeutschen, ist gescheitert. Wir müssen uns ihre Schreibweise notfalls auf einen Spickzettel schreiben. Zu guter Letzt: Bei Libyen steht das Ypsilon hinten, bei Syrien vorn. Hawaii mit Doppel-i ist richtig. Richtig wäre auch die Schreibweise Hawaiiinseln, aber bei einer derartigen Ballung von Vokalen sollten wir besser zum Bindestrich greifen und Hawaii-Inseln schreiben.