Wenn Putin weiter provoziert, ist militärische Stärke nötig

Die Annexion der Krim durch Russland, die den Umständen nach als völkerrechtswidrig gelten muss, hat die Sicherheitsarchitektur in Europa schlagartig verändert. Der teilweise dramatisch abgerüsteten Nato – so stellte allein Deutschland rund 95 Prozent seiner Kampfpanzer außer Dienst – steht eine ebenso dramatisch aufgerüstete und modernisierte russische Militärmacht gegenüber.

Dies war so lange nicht problematisch, wie Moskaus antiwestlicher Kurs nur verbaler Art war. Zumal die westliche Allianz insgesamt Russland überlegen ist. Doch die auch mit militärischem Druck unterfütterten großrussischen Ambitionen und der Verlauf der Ukraine-Krise stellen die Nato nun vor Herausforderungen, die denen des Kalten Krieges bedrückend ähnlich sind.

Es gibt nun zwei Möglichkeiten. Entweder Russland gibt deutliche Signale der Entspannung und bremst seine rasante Aufrüstung; die Gedenkfeiern zur Invasion 1944 bieten den Rahmen für entsprechende Gespräche. Oder die Nato muss Wladimir Putins Willen zur Machtprojektion eine neue Strategie entgegenstellen, zu der auch die Wiedererlangung verloren gegangener militärischer Fähigkeiten zählt. Denn wenn die Nato jetzt nicht Entschlossenheit zeigt, werden als Nächstes die baltischen Staaten, die ja russische Minderheiten aufweisen, unter starken Druck Moskaus geraten.

Und da auch der Nato-Partner Polen sich bedroht fühlt, muss die russische Bedrohung entweder glaubhaft abgebaut werden, oder die Nato muss Polen den Rücken stärken. Hier ist dann auch Deutschland als Partner in der Militärallianz gefragt. Dies alles ist notwendig, weil das Staatsverständnis Putins jene Werte infrage stellt, die Grundlage vor allem der Europäischen Union sind: echte Demokratie, Pluralismus, Toleranz, Meinungsfreiheit. Eine Äquidistanz, wie sie manche fordern, also eine politisch gleich große Entfernung zu Russland wie zu den USA, darf es bei allen Fehlern Washingtons für Deutschland nicht geben. Es ist wichtig, dass nicht nur über Putin geredet wird wie nun auf dem G7-Gipfel, sondern auch mit ihm. Doch eine neue Eiszeit in Europa hätte er dann zu verantworten.