Die Europawahl hat Raum für andere Kräfte eröffnet

Liberale hatten es in Deutschland nie leicht. Die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung neigt eher einem fürsorglichen Staat zu als selbstständigem Handeln in Freiheit und Eigenverantwortung. Und die FDP als liberale Partei hat es sich in den vergangenen Jahren selbst noch schwerer gemacht. Erstens, weil sie mehr und mehr zur Klientelpartei verkommen ist, statt liberale Werte hochzuhalten. Und zweitens, weil sie sich etwa ihrem entschiedensten Euro-Kritiker Frank Schäffler gegenüber äußerst illiberal verhalten hat. Wer mit den immer größer werdenden Rettungsschirmen unzufrieden war, musste sich ein anderes Ventil suchen. Und fand es zum Beispiel in der Alternative für Deutschland (AfD). Schon die Bundestagswahl im vergangenen Herbst geriet so für die FDP zum Desaster. Bei der Europawahl am Sonntag wurde sie nicht einmal mehr vermisst.

Doch nicht nur die FDP hat den Neuen in der Parteienlandschaft Tribut zahlen müssen. Die CSU versuchte den gegenteiligen Weg und nahm Thesen der Europaskeptiker auf, rief noch lauter als sonst „mia san mia“, schimpfte auf Brüssel und angebliche Massen von Armutseinwanderern. Wer in Bayern so dachte, wählte lieber das Original und nicht den faden Aufguss aus der Münchner Staatskanzlei.

Beide Beispiele zeigen, dass es keine einfachen Mittel gegen Protestparteien, wie die AfD sie noch immer ist, gibt. Weder hilft es, sie zu ignorieren, noch, ihnen nachzulaufen. Es bleiben nur Argumente und schlüssige Politik, um Wähler zu überzeugen. Und wohl auch der Faktor Zeit. Noch ist die AfD im Wesentlichen eine Ein-Thema-Partei, die sich vor allem an Europa abarbeitet. Die Europawahl war somit ihr Heimspiel. Die praktische Arbeit und künftige Abstimmungen in den Ländern und im Bund werden erst zeigen, ob sie den Weg früherer bürgerlicher Protestbewegungen wie der STATT-Partei oder der Schill-Truppe geht und sich in Personalquerelen selbst zerlegt – oder nach dem Ende der Euro-Krise kein neues Thema findet. Die CSU kann das entspannter als die FDP verfolgen. Am Sonntag hat möglicherweise deren Sterbeglöckchen geläutet.