Die Allianz, die Putin mit China sucht, ist nur eine Notlösung mit ungewisser Zukunft

Russland habe in der Welt nur zwei Verbündete, lautet eine traditionelle Kreml-Weisheit. Seine Armee und seine Flotte nämlich. So alt das Zitat ist, so beklemmend aktuell ist es. Nach dem Zerfall des Ostblocks und des Warschauer Pakts schien es ein paar Jahre lang, als wandle sich der frühere Gegner des Westens allmählich über den pragmatischen Status des Partners vielleicht gar zu einem Freund. Wladimir Putin, der dem gedemütigten Land Selbstbewusstsein und wirtschaftliche Vitalität zurückgegeben hat, entschied sich jedoch, den Weg der „russischen Kultur“ gehen zu wollen.

Was auch immer dies genau bedeutet: Es beinhaltet eine konfrontative Position gegenüber dem Westen und seinen pluralistisch-liberalen Werten. Nahm man zunächst im Westen nachsichtig lächelnd an, jene Bilder barbrüstiger Virilität, die Putin produzierte, seien lediglich werbewirksame Projektionen, so erweist sich inzwischen, dass der Mann im Kreml tatsächlich eine eisenharte neozaristische Vision umsetzt, gespeist auch durch imperiale Phantomschmerzen. Mit der völkerrechtswidrigen Annexion der Krim hat Putin sämtliche einzementierten Feindbilder in den Köpfen konservativer Amerikaner bestätigt und es sich auch mit fast allen europäischen Hauptstädten gründlich verdorben. Es erscheint wie ein logischer Zug in seiner langfristigen Strategie – und auch ganz passend zu seinem Projekt einer „Eurasischen Union“ –, dass sich der russische Präsident nun nach Verbündeten in Asien umsieht, vor allem in China. Trotziges Motto: Wir sind auf euch im Westen nicht angewiesen. China, neben Russland das andere aufstrebende Schwellenland im Uno-Sicherheitsrat, hat ein massives Problem. Es hat jede Menge Handlungspartner, aber nur zwei Verbündete: seine Armee und seine Flotte. Auch China ist umringt von potenziellen Gegnern, zu denen man auch getrost Nordkorea mit seiner bizarren Tyrannenclique zählen kann.

Wiegen die Experten der Nato schon bedenklich die Köpfe, wenn sie sich eine militärische Konfrontation mit Russland vorstellen, so müsste ihnen beim Gedanken an eine russisch-chinesische Achse der Schweiß ausbrechen. In der Tat scheinen beide Staaten mit geplanten Seemanövern im Ostchinesischen Meer derartige Ängste zu bestätigen. Zudem planen China und Russland einen gemeinsamen Tiefseehafen im Schwarzen Meer vor der gekaperten Halbinsel Krim. Ein milliardenschweres Gasgeschäft samt einer Pipeline nach China könnte beide wirtschaftlich noch enger miteinander verbinden. Doch eine ähnliche Verbundenheit, wie sie zwischen Europa und den USA besteht – bei allen Differenzen –, kann zwischen China und Russland kaum erreicht werden. Weder kulturell noch strategisch passen beide Staaten zusammen. Das einzige strategische Interesse, das sie eint, ist, eine westliche Dominanz zu verhindern.

Zur Erinnerung: Auf dem Höhepunkt des chinesisch-sowjetischen Zerwürfnisses kam es 1969 zu schweren Grenzgefechten am Ussuri-Fluss, die beinahe in einen umfassenden Krieg mündeten. China mit seinen fast 1,4 Milliarden Menschen ist vorrangig ein Rivale Russlands, ganz sicher kein Freund. Auch ist Russland in einer schwächeren Position; es liefert den Chinesen das einzig Wertvolle, das es außer Waffen zu bieten hat: Bodenschätze. China, das energiepolitisch gut vernetzt und auf Russland nicht angewiesen ist, betreibt damit seine ungestüm wachsende Wirtschaft. Russland ist reiner Rohstofflieferant, die industrielle Wertschöpfung aber findet in China statt. Russlands Pakt mit China ist eine Notlösung mit ungewisser Zukunft – der natürliche Partner wäre der kulturell eng verwandte Westen. Doch dazu müsste sich Russland von der „gelenkten Demokratie“ des Putinismus und den großrussischen Ambitionen trennen.