Hamburgs wichtigste Branche muss Defizite offen ansprechen

Seit Beginn des Jahres verstärkt Ingo Egloff die Geschäftsführung von Hafen Hamburg Marketing. Er ist damit einer der wichtigsten Repräsentanten des Hamburger Hafens für Gesprächspartner auf der ganzen Welt. Bei seiner ersten Präsentation von Quartalszahlen übernahm Egloff – früherer Landeschef der Hamburger SPD und Bundestagsabgeordneter – am Montag sogleich die Abteilung Attacke. Für den Hafen ist dieses Engagement höchst löblich, allerdings reitet die Kavallerie zunächst noch in die falsche Richtung: Kritik an logistischen Defiziten im zentralen Hafenbereich rund um den größten Hamburger Terminal Burchardkai, so argwöhnt Egloff, werde unter der Hand vor allem von Hamburgs Hafenkonkurrenz an der Nordsee gestreut und gelenkt. Wer Engpässe in Waltershof kritisiert, zählt nach dieser Lesart zur fünften Kolonne Rotterdams oder, schlimmer noch, Bremerhavens und Wilhelmshavens. Insofern hat sich der neue Co-Chef des Hafen-Marketings erstaunlich schnell in alt erprobte rhetorische Muster der Hamburger Hafenwirtschaft eingeübt.

Bedenklicher noch ist allerdings, dass sich die Akteure der komplexen Hafenbranche in der Hansestadt hinter vorgehaltener Hand nur allzu oft darüber freuen, wenn gerade einmal ein anderer von ihnen öffentlich in der Kritik steht. Defizite werden jederzeit gern angeprangert, am liebsten beim Betrieb nebenan und natürlich anonym. Offene Debatten sind nicht die Stärke des tradierten Gewerbes. Wohlgemerkt: Hamburg ist einer der modernsten und erfolgreichsten Häfen der Welt. Etliche Einflussgrößen, die den Verlauf des Hafenumschlags prägen, sind von der Stadt aus kaum oder gar nicht zu beeinflussen, vom Zustand der Bundesstraßen und Autobahnen über die Formierung neuer Allianzen in der Schifffahrt bis hin zur Entwicklung des Welthandels. Diejenigen Faktoren, die in der Stadt selbst behandelt werden können, müssten deshalb umso nachdrücklicher sachlich und transparent abgehandelt werden. Ein Welthafen mit Konflikten ist ein Hafen, der lebt und wächst. Ein Hafen mit Grabesruhe hingegen hat seine besten Zeiten wohl hinter sich.